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Niedertracht. Alpenkrimi

Niedertracht. Alpenkrimi

Titel: Niedertracht. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Swoboda zerkratzte sich die Finger an spitzen Zierkieseln, steinharter Erde und Rosendornen: kein Schlüssel zu finden. Zwanzig Meter, letzter Versuch, Swoboda hob den Blumenkübel auf einer Seite hoch und tastete weiter. Manzinis Schritte knirschten auf dem Kies, überdeckten aber nicht das hässliche Geräusch der Pistole, die entsichert wurde. Swoboda griffelte und scharrte, auf seiner Stirn bildeten sich Schweißtropfen. Zehn Meter. Endlich, der Schlüssel. Swoboda steckte den Schlüssel ins Schloss und schlüpfte katzengleich durch die Tür. Fünf Meter. Um von innen abzusperren, war keine Zeit mehr. Er sah im Halbdunkel eine Holztreppe, die nach oben führte. Manzini konnte hier im Haus nicht schießen, ohne den Hausmeister zu wecken. Und der schlug garantiert sofort Alarm. Swoboda hastete die Treppe hoch, sie führte direkt zur Hausmeisterwohnung, auf halber Höhe befand sich eine Tür. Schweratmend drückte Swoboda die Klinke und betrat leise die Ausstellungsräume des Kurhauses. Manzini würde ihn bald entdecken, aber Swoboda hatte ein bisschen Zeit gewonnen.
     
    Die weiträumigen Hallen des Kurhauses beherbergten gerade eine Ausstellung des ortsansässigen Landschafts-, Natur- und Heimatmalers Matthias Wotzgössel. Schwergewichtige Wildsauen starrten Swoboda böse und zähnefletschend aus dem Unterholz an. Er schlich vorbei an gischtsprühenden Wasserfällen und morgendlich reinen Waldlichtungen, pralleutrigen Milchkühen und röhrenden Hirschen, alles mit zentimeterdick aufgetragener Ölfarbe, ein Traum mancher japanischer Kunstsammler, die Baselitz, Immendorff und Kippenberger satthatten und sich einen echten Wotzgössel ins Arbeitszimmer hängten. Swoboda hatte momentan keinen Sinn für Ölpatzereien, er hastete vorbei an in der Luft stehenden Gamsböcken, jäh aufragenden Bergwänden und ins Tal rasenden Hornschlitten, im Erkerraum wurde er fündig. Hier führte eine kleine Tür auf einen schmalen Balkon, nicht für den Publikumsverkehr bestimmt, aber als Fluchtweg hervorragend geeignet. Swoboda öffnete die Tür und glitt hinaus in die frische Luft. Die öl- und terpentingeschwängerte Atmosphäre dort drinnen hatte ihm ein starkes Kribbeln in der Nase verursacht, er konnte ein herzhaftes Niesen gerade noch zurückhalten. Rasch ließ er seinen Blick über den Kurpark schweifen, und jetzt sah er deutlich, was er vorher unten, auf dem Kieshaufen sitzend, durch das Eisengitter des Kurparks nur schemenhaft wahrgenommen hatte: Die Jugendlichen in den Lederwesten waren ihm bis zur Kurparkmauer gefolgt, sie schlichen jetzt um das Gelände herum und suchten ihn, das war von hier oben zu sehen. Sie schwenkten blitzende Taschenlampen und suchten jeden Winkel damit ab. Und noch etwas anderes war im Schein der starken Taschenlampen zu erkennen: Es war nicht bei den Fünfen geblieben. Sie hatten Verstärkung geholt und waren auf ein Dutzend angewachsen. Swoboda sprang vom Balkon auf eine breite Brüstung, die eine gute Plattform bot, um den Burschen etwas zuzurufen. Und Swoboda ließ den verirrten Seelen eine Nachricht zukommen, die sich gewaschen hatte. Er legte die Hände trichterartig vor den Mund und schrie es hinaus in den würzigen Nachthimmel.
    »Hallo! Bewegung Fünfter August! Alle mal herhören! Ritter von Halt war ein jüdisches Weichei! Ritter von Halt war eine schwule Schwuchtel. Kommt rein in den Kurpark! Wenn ihr euch traut!«
    Hastig wurden dort unten Zigaretten ausgedrückt, eilig wurde ein letzter Schluck aus der Pulle genommen, splitternd krachten Glasflaschen auf den Asphalt. Gegrunze, Gescharre, Flüche und Befehlsfetzen, dann entdeckten sie – saubere Stadt für saubere Bürger! – die blaue Mülltonne, Gegröle, Getrampel von schweren Springerstiefeln auf Plastik war zu hören, die Ersten sprangen schon über die Mauer in den Kurpark und stießen auf den entsetzt flüchtenden Odore. Manzini war, mit gezogener Waffe, inzwischen auf dem Balkon erschienen und starrte höchst ärgerlich hinunter auf die Szene. Er stieß einen italienischen Fluch aus. Sein Herr und Brötchengeber dort unten hatte sich schon die ersten Ohrfeigen und Stöße eingefangen, Manzini entschied sich dafür, Odore zu Hilfe zu eilen und die Verfolgung Swobodas vorerst zu unterbrechen – um den wollte er sich später kümmern. Swoboda hatte sich auf einem Mauervorsprung im Schatten einer Sandsteinfigur versteckt. Manzini verließ den Balkon hastig, er rannte an den Wotzgösselschen Wasserfällen und Wildsauen vorbei,

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