Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niedertracht. Alpenkrimi

Niedertracht. Alpenkrimi

Titel: Niedertracht. Alpenkrimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
Vom Netzwerk:
VIP -Lounge zusammen. Ihre Fingerabdrücke und andere biologische Spuren liefern sie uns im Pfanndl, die Nematocera schratzenstalleri enthüllen uns ihre weiteren Geheimnisse.«
    »Schön, dass du sie so nennst. Aber sag einmal, dann sind wir beide ja die einzigen, die das wissen.«
    »Richtig. Und damit das auch so bleibt: Sicherheits-Check.«
     
    Sie machten sich an ihren täglichen Abendsport. Sie gingen durch das ganze Haus, überprüften alle Türen und Fenster, sie durchforsteten den Garten und checkten das Insektarium. Keine Auffälligkeiten. Sie gingen beruhigt schlafen.
    »Gute Nacht, Mückenbändiger«, rief Swoboda. »Morgen gehts los. Die Schweizer Nationalmannschaft hat eine Besprechung auf der Zugspitze. So eine Gelegenheit, dass wir die komplette Mannschaft zusammenhaben, kommt nie wieder.«
    »Der ▇▇▇▇▇! Da schau her«, murmelte Schratzenstaller, bevor er das Licht auslöschte. »Alles hätte ich gedacht, bloß das nicht.«

41
    Dreihollarodirieij-roöi –
    I jodel weiter in der Höll!
    Grabinschrift des »Jodelkönigs« Korbinian Steinrieder
    »Kennen Sie diesen Mann?«
    Sie war blond, sie war sommersprossig, sie war jung, sie hieß Nele, sie war ein beharrlicher Fördekopf, das Foto in ihrer Hand war schon abgegriffen, es war fleckig, aber sie besaß kein anderes. Nein, kenne ich nicht, noch nie gesehen, wer soll das sein? Einer hatte schon gefragt, ob das ihr Vater sei (die Ähnlichkeit: unverkennbar!), er hatte wohl vom Zustand des Bildes auf das Alter des Mannes geschlossen. Die Eisenbahnstrecke von der Ostseeküste bis hinunter nach Messina war zu ihrer zweiten Heimat geworden, eine längliche, 1.435 Millimeter breite, eiserne Heimat quer durch Europa, ein ratternder Doppelstrang, der doch irgendwann einmal zu ihm, diesem Kerl führen musste! Oder ging es schon lange nicht mehr um ihn? Dieser Verdacht stieg ihr manchmal auf, erst ganz leise, in letzter Zeit immer stärker. Ging es ihr eher darum zu zeigen, dass auch sie stur sein konnte? Von holsteinischer Beharrlichkeit, von Laboe’scher Ausdauer, von ostseeischer Prinzipientreue. Jedes Mal, wenn sie wieder heimgekommen war von einer Exkursion, hatte sie sich geschworen, dass das jetzt endgültig – unwiderruflich! – die letzte Reise gewesen sei, dass sie jetzt nicht mehr weitermachen wolle, dass sie die Suche ergebnislos aufgeben würde. Dass er da bleiben konnte, wo er war, wo der Pfeffer wächst,
weir de Düwel wount
, wie ihr Großvater aus Dänischenhagen immer gesagt hatte.
     
    »Kennen Sie diesen Mann?«
    In letzter Zeit hatte sie sich dabei ertappt, dass sie den Satz ziemlich halbherzig und resignativ heruntergebetet und die Antwort gar nicht mehr richtig abgewartet hatte. In diesem bayrischen Kurort hatte es einen dritten Toten gegeben, sie war natürlich hingefahren, wieder mit zitternden Knien und in banger Erwartung. Der Seppel dort unten, der Polizist mit dem knorrigen Namen, dieser Franz Hölleisen, der kannte sie jetzt schon. Aha, unsere Ostseenixe ist wieder da, hatte er gesagt. Da, schauen Sie her, so sieht unser Toter in der Wand diesmal aus. Wenn Sie sich das unbedingt antun wollen, dann werfen Sie halt mal einen Blick drauf. Aber ich glaube nicht, dass das Ihr Freund ist. Er hatte recht gehabt, auch dieser Tote war nicht ihr Freund. Der Seppel hatte ihr auch ein bisschen gut zugeredet, hatte ihr erzählt, wie sich die Polizei bei Vermissungen verhält. Dass sie die Akten nie ganz schließt, dass es da kein Zeitfenster gibt. Dass das immer eine diffizile Sache ist. Sucht man oder sucht man nicht? Nimmt man den, der aufs Revier kommt, ernst oder nicht? Fingerspitzengefühl ist da gefragt. Sie verabschiedete sich von Hölleisen, dem freundlichen, aber überlasteten Polizisten, und fragte in der Pension, in der sie schon öfter übernachtet hatte, ob sie ganz spontan und unangemeldet ein Zimmer bekommen könnte.
     
    Aha, das Fräulein aus Kiel, aber gerne, wie immer das Zimmer mit Blick auf den Wank? Ja, gerne, aber ich komme nicht direkt aus Kiel, sondern aus Laboe. Laboe ist das Grainau Kiels? So ähnlich. Sie ging in ihr Zimmer und blickte aus dem Fenster. Der Wank. Beim letzten Mal, als sie da war, hatte sie diesen Typen kennengelernt, auf dem Wank. Er hatte so getan, als ginge es ihm schlecht, als hätte er Sonnenbrand, Höhenkoller, Atemschwierigkeiten, Heimweh, was auch immer. In Wirklichkeit war es nur eine plumpe Anmache in siebzehnhundertachtzig Metern Höhe gewesen, aber im weiteren Gespräch

Weitere Kostenlose Bücher