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Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Titel: Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
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lässt und der Sprünge zu Hilfe nimmt, die zwar alles erklären, aber als ein für die Physik fremdes Element rätselhaft und geheimnisvoll bleiben. Sein rational-romantisches Modell des Atoms und seine Deutung der Lichtaussendung wurden trotz ihrer philosophischen Problematik von den Physikern nach anfänglicher Skepsis mit zunehmender Begeisterung aufgenommen: Die Form, die Bohr mit seinen Ideen der atomaren Natur gegeben hatte, konnte mit atemberaubender Präzision die Formel erklären, die Balmer für die
Linien ersonnen hatte, die das von Wasserstoffatomen ausgesendete Licht und ihre Energie erfassen. Für die Vertreter der exakten Wissenschaft zählte dabei vor allem, dass Bohr in der Lage war, eine in der Balmer-Serie auftretende konstante Größe auf elementare physikalische Messwerte zurückzuführen – Albert Einstein bezeichnete dies als eine der größten Entdeckungen seiner Wissenschaft, wie dem überglücklichen Bohr berichtet wurde. Neben all dem Unbehagen, das in den Experten erwachte, wenn sie Bohr bei der Arbeit zusahen, machte sich so auch die Überzeugung breit, dass in Bohrs Paradoxien-Besessenheit eine Methode erkennbar ist, mit deren Hilfe die Physik vorangetrieben werden kann, wenn sie zu den Atomen gelangen und über sie Auskunft geben will.

Die Erklärung einer konstanten Größe
    Unter konstanter Größe versteht man die nach dem schwedischen Physiker Johannes Rydberg (1854–1919) benannte Naturkonstante, die bei der Berechnung von Spektrallinien aufgetaucht ist und höchst genau vermessen werden konnte. In Bohrs Modell und unter seinen Formvorgaben ließ sich die Rydberg-Zahl (R) auf eine Kombination aus der Elementarladung, dem Planck’schen Quantum (h), der Lichtgeschwindigkeit (c), der Masse eines Elektrons (m) und der geheimnisvollen Kreiszahl π aus der griechischen Antike zurückführen und somit auf wundervolle Weise verstehen: R war gleich 2π 2 e 4 m/h 3 . Bohr, Einstein und viele andere Physiker waren wie elektrisiert: Sie hatten einen gemessenen Wert auf Naturkonstanten und eine rätselhafte Zahl zurückgeführt. Das war genau das, was sie »Verstehen« nannten, ein Triumph des theoretisch-physikalischen Denkens.
    Bohr stellte seine mit Rutherford erörterten Vorstellungen vom Aufbau der Atome nach einigen Rohentwürfen in drei Arbeiten zusammen, von denen die erste bereits 1912 entstanden ist. Er veröffentlichte sie aber als Ganzes im Juli, September und November 1913 unter dem Titel »On the Constitution of Atoms and Molecules«. Historiker sprechen heute voller Bewunderung von Bohrs »Trilogie«. Sie erschien in der Zeitschrift Philosophical Magazine and Journal of Science, die das eigentümlich duale Wesen des Bohr’schen Ansatzes und die Intention, das philosophische Denken mit dem
wissenschaftlichen Vorgehen verknüpfen zu wollen, selbst in ihrem Titel trägt. Leider konnte dieses begrüßenswerte Begehren aus dem 19. Jahrhundert nicht in die Gegenwart hineingerettet werden, seit 1949 existiert nur noch das Philosophical Magazine, das sich kaum mit Wissenschaft befasst.
    Von Niels Bohr ist bekannt, dass er die Arbeiten mithilfe seiner Frau Margrethe schrieb, und es ist anzunehmen, dass er seine Sätze langsam, vielfach variierend und um einzelne Wendungen ringend, wahrscheinlich in einer Mischung aus Dänisch und Englisch diktierte. Vermutlich erfuhren die Manuskripte bereits in ihrer Entstehungsphase durch Margrethes Englischkenntnisse – die besser waren als die ihres Mannes – eine Menge Kürzungen und editorische Eingriffe, was Bohr dazu brachte, dann keine weiteren Vorschläge für Straffungen oder Änderungen mehr anzunehmen. Rutherford und die Herausgeber der für die Publikation vorgesehenen Fachzeitschrift rieten dem Autor zwar eindringlich und nachdrücklich, sich auf die Hälfte seiner Ausführungen zu beschränken, aber eine solche Bitte hatte der junge Däne ja schon zuvor selbst dem großen J. J. Thomson gegenüber abgelehnt; jetzt zeigte er sich erneut unnachgiebig. Wort für Wort wurden die Manuskripte mit Rutherford durchdiskutiert, bis der Experimentalphysiker völlig erschöpft aufgab. Er empfahl, Bohrs Beschreibungen des Atoms in voller Länge zum Druck zu geben, und reichte die Trilogie ungekürzt mit seinen besten Empfehlungen an die Herausgeber weiter – wofür wir heute höchst dankbar sein können.
    Auf der philosophischen Ebene musste Bohr einräumen – wahrscheinlich sogar zu seinem Vergnügen –, dass er sein eigentliches und durch

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