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Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters

Titel: Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
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Møllers Vorgaben anvisiertes Ziel noch nicht erreicht hat: die Atome ohne Materie und allein als Form zu erklären, um auf diese Weise eine Erklärung der Materie geben zu können, ohne sie vorauszusetzen. Dies wird erst ein Dutzend Jahre später gelingen, unter anderem durch Werner Heisenberg. Vom physikalischen Standpunkt aus muss man darauf hinweisen, dass mit Bohrs Trilogie eigentlich nur der Bau des Wasserstoffatoms und die Herkunft seiner Spektrallinien verstanden werden können. Bohr selbst hob
dies in einem Vortrag »Über das Wasserstoffspektrum« hervor, den er kurz vor Weihnachten 1913 in Kopenhagen hielt und in dem er den eigentlichen Vorteil dieses Elements betonte. Etwas Einfacheres als den Wasserstoff hat die Natur aus physikalischer Sicht nicht hervorgebracht, weshalb sich dessen Atome mit dem kleinstmöglichen Gewicht als ideale Hilfsmittel für den Versuch anboten, sich vorsichtig experimentierend auf das Neuland der Quantentheorie vorzuwagen. Das Wasserstoffatom mit seinem einsamen Elektron, das um einen ebenso einsamen Kernbaustein kreiste, stellte das Experimentierfeld dar, auf dem Bohr seine Ideen ratend und tastend erproben konnte, um sich anschließend den komplizierten Elementen wie Helium und Lithium mit mehr Elektronen und Kernbausteinen zu stellen.
    Bohr wird später daraus die Erfahrung ableiten und als Empfehlung an junge Wissenschaftler weitergeben, dass jede Disziplin ihren Wasserstoff braucht, mit dem sie die Erkundung der Naturgesetze einleiten kann. Aber erst zwanzig Jahre nach dem Erscheinen seiner Trilogie forderte Bohr die anderen Forscher auf, ihr jeweiliges Wasserstoffatom zu suchen. Unmittelbar im Anschluss an die Publikation galt es hingegen, sich die Frage vorzunehmen, wie man Atome behandelt, bei denen sehr viel mehr Elektronen als beim Wasserstoff untergebracht werden müssen – beispielsweise 88 Stück beim Radium.
    Die erste Hilfe bei dieser Aufgabe wurde Bohr im Sommer 1914 zuteil, als er gemeinsam mit seinem Bruder Harald nach Deutschland reiste, um in Göttingen und München einige Vorträge zu halten. In der bayerischen Landeshauptstadt traf er mit dem Physiker Arnold Sommerfeld zusammen, der mathematisch außerordentlich versiert und von Bohrs Ansatz überzeugt war. Sommerfeld gelang es bald, die simplen Kreise, die Bohr den Elektronen in seinen Modellen zugestanden hatte und die das Rechnen übersichtlich gestalteten, durch raffinierte Ellipsen mit verschiedenen Ausrichtungen zu erweitern. Auf diese Weise konnte er tatsächlich nicht nur viel mehr Anordnungen der atomaren Teile schaffen, sondern auch zahlreiche bislang unverstandene Linien deuten, was ihn schließlich dazu ermutigte, ein Buch über Atombau und Spektrallinien zu schreiben. Sommerfeld verhalf damit nicht nur Bohrs Ideen zum akademischen Durchbruch, sondern es gelang ihm auch, mit diesem Text den größten fachlichen Einfluss auf die nachfolgende Physikergeneration auszuüben und ihre Aufmerksamkeit auf die Atome und ihre Quantentheorie zu lenken.

    Das Radiumatom als Modell nach Niels Bohr mit festen Elektronenbahnen in verschiedenen geometrischen Formen
    Sommerfeld begann 1916, also mitten im Ersten Weltkrieg, mit der Niederschrift seines Buches und schloss sie 1918 ab. Bedauerlicherweise behinderten die politischen Feindseligkeiten der Staaten die persönliche Freundschaft zwischen Bohr und Sommerfeld stark, sodass es nicht zu der Zusammenarbeit kommen konnte, die sich die Wissenschaft gewünscht hätte. Bohr war mit seinem anschaulichen Modell und Sommerfelds mathematischen Erweiterungen allein, als er sich an sein großes Ziel wagte, das Periodensystem der Elemente aus der gerade gelungenen Kenntnis der Atome und dem frischen Verständnis für die Verteilung ihrer Bausteine abzuleiten und ihre periodische Vielfalt zu erklären.

Die Quantenzahlen
    Da die Chemiker des 19. Jahrhunderts ihre Elemente systematisch durchnummeriert hatten, schien es Bohr, dass ein Physiker, der diese Ordnung erklären möchte, nicht allzu viel falsch machen konnte, wenn er hierfür ebenfalls auf Zahlen zurückgreifen würde. Und in der Tat, die getrennten Quantenbahnen mit den dort sich aufhaltenden (»stationären«) Elektronen boten dazu direkt die Möglichkeit, die Bohr gesucht hatte, und seitdem kennen die Physik und die Welt Quantenzahlen. »Alles ist Zahl«, hatte Pythagoras in der Antike erklärt. »Stimmt«, hätte Bohr jetzt hinzufügen können, wenn mit den Zahlen Quanten gemeint sind und erfasst

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