Niels Bohr - Physiker und Philosoph des Atomzeitalters
Friedensforscher profilierende von Weizsäcker war beim Bau von Atombomben für Hitler wenig zimperlich und überraschend zielstrebig, wie der Briefwechsel von Elisabeth und Werner Heisenberg inzwischen belegt. Von Weizsäcker benutzte zwar nach 1945 gern die Formel, er sei »nur durch göttliche Gnade« vor der Versuchung bewahrt worden, eine deutsche Atombombe zu bauen – und die Öffentlichkeit vertraute
ihm wegen seiner Schriften zum Frieden und glaubte, was er sagte –, aber inzwischen gibt es Hinweise darauf, dass Heisenbergs Schüler keineswegs so friedlich und harmlos gewesen ist, wie er es dargestellt hat. Im Gegenteil, er scheint das Motto der Forschung, »Wissen ist Macht«, politisch verstanden zu haben und im Uranverein nicht nur physikalisch, sondern auch machtpolitisch gedacht und die illusionäre Hoffnung auf die Möglichkeit gehegt haben, mit der neuen Waffe den »Führer« zu führen.
Von Weizsäcker war es schließlich auch, der Heisenberg 1941 überredete, in das von deutschen Truppen besetzte Kopenhagen zu fahren, um mit Bohr über die Möglichkeit von Atomwaffen zu sprechen – das ganze Unternehmen war vermutlich mit der Gestapo abgesprochen. Und im Sommer desselben Jahres, während deutsche Panzer Richtung Moskau rollten, meldete von Weizsäcker – im fernen Tokio von allen unbemerkt – ein Patent an für ein »Verfahren zur explosiven Erzeugung von Energie und Neutronen, z.B. in einer Bombe«, wie es inzwischen zum Beispiel im Nachrichtenmagazin Der Spiegel zu lesen war. Leider haben wir von dieser 1990 in Moskau entdeckten Patentschrift nicht durch Carl Friedrich von Weizsäcker selbst erfahren, was auch so gedeutet werden kann, dass der gefeierte und politisch einflussreiche Philosoph die ihn verehrende Öffentlichkeit jahrzehntelang hinters Licht geführt und sie über seine Taten während des Krieges belogen hat.
Das legendenumwobene Kopenhagener Treffen zwischen Bohr und Heisenberg scheint überhaupt nur dann begreiflich, wenn man die Figur im Hintergrund, den Diplomatensohn von Weizsäcker, stärker ins Licht rückt und annimmt, dass es bei dieser Zusammenkunft noch einen entscheidenden dritten Mann gegeben hat. Er war es, der konkret die Einladung ins DWI plante und im März 1941 durch einen ersten Aufenthalt in Kopenhagen vorbereitete. Er war es auch, der Druck auf die Dänen ausübte, zu den Vorträgen der deutschen Gelehrten zu kommen, weil sonst die SS ihr eigenes Kulturinstitut eröffnen würde. Und von Weizsäcker war es auch, der Bohr bei seinem Vorbesuch im Frühjahr 1941 gezielt zu einer Begegnung mit dem deutschen Direktor des DWI zwang und ihn damit
in große Bedrängnis brachte, da Bohr nun befürchten musste, der dänische Widerstand würde von einer Kollaboration mit den Deutschen ausgehen.
Zwar hat Mark Walker in seiner Studie Nazi Science. Myth, Truth, and the German Atomic Bomb 1995 geschrieben, dass »die meisten Deutschen und höchstwahrscheinlich auch Heisenberg und v. Weizsäcker... Hitlers Sieg unmittelbar bevorstehen« sahen, was es »nicht sehr wahrscheinlich« macht, »dass die beiden deutschen Physiker tatsächlich über die Entwicklung von Nuklearwaffen noch für diesen Krieg besorgt waren«. Aber mittlerweile weiß man, dass von Weizsäcker an dieser Nutzung der Atomenergie sehr interessiert war, und es scheint, als hätte er herausbekommen wollen, was die alliierten Physiker von dem Weg wussten, der zur Atombombe führte, und wie weit sie ihn schon gegangen waren. Der Diplomatensohn glaubte, dies von Bohr erfahren zu können. Das Problem bestand jedoch darin, dass er selbst den dänischen Physiker darauf nicht ansprechen konnte; Heisenberg aber war in der Lage, dies für ihn zu tun. Von Weizsäcker musste nur noch dafür sorgen, dass sein Lehrer bei Bohr auftauchte. Zu diesem Zweck arrangierte er eine wissenschaftliche Konferenz im DWI, bei der Heisenberg einen Vortrag halten sollte. So ist auch leicht zu verstehen, weshalb Bohrs Gespräch mit Heisenberg misslingen musste: Die beiden waren mehr oder weniger zu dem Treffen verleitet worden und hatten sich zu dem Zeitpunkt nichts zu sagen, das von Bedeutung gewesen wäre.
»Ich bin der Tod, der alles raubt, Erschütterer der Welten«
Parallel kann der Blick auf den Uranverein und dessen Aktivitäten gerichtet werden. Mit diesem straff organisierten Verbund waren die Deutschen die Ersten gewesen, die ein militärischen Zwecken dienendes Atomprojekt in Gang gesetzt hatten, und im Winter 1941/42 –
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