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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Erster Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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Torheiten von mir verlangst, stehe ich dir gern zu Diensten.« – »In den Tannen, dicht bei meinem Sumpf,
     wohnt ein Schmetterlingsvolk,« sagte die Natter. – »Ja, ich weiß, was für welche du meinst,« sagte Kryle. »Was für eine Bewandtnis
     hat es mit ihnen?« – »Es ist das kleinste Insektenvolk im Walde,« sagte Hilflos, »und das unschädlichste von allen, denn die
     Larven fressen nichts weiter als Tannennadeln.« – »Ja, das weiß ich,« sagte Kryle. – »Ich bin bange, daß dies Schmetterlingsvolk
     bald ausgerottet werden wird,« sagte die Natter. »Da sind so viele, die die Larvenim Frühling fressen.« Kryle glaubte, daß die Natter die Larven gern für sich selbst behalten wollte und antwortete freundlich:
     »Willst du, daß ich den Eulen sage, daß sie die Tannenlarven in Ruhe lassen sollen?« – »Ja, es wäre mir lieb, wenn du, die
     du etwas im Walde zu sagen hast, das bewirken könntest,« antwortete Hilflos. »Soll ich vielleicht auch bei den Drosseln ein
     gutes Wort für die Tannenfresser einlegen?« fragte die Kreuzotter. »Ich bin dir ja gern gefällig, wenn du nichts Unsinniges
     verlangst.« – »Dann danke ich dir für dein freundliches Versprechen, Kryle,« sagte Hilflos, »und ich freue mich, daß ich mich
     an dich gewandt habe.«
Die Nonnen.
    Mehrere Jahre nach diesem Geschehnis lag Karr eines Morgens draußen unter dem Beischlag und schlief. Es war im Frühsommer,
     in der Zeit der hellen Nächte, und obwohl die Sonne noch nicht aufgegangen, war es heller, lichter Tag. Da erwachte Karr dadurch,
     daß jemand seinen Namen rief. »Bist du es, Graufell?« fragte Karr, denn er war daran gewöhnt, daß der Elch fast jede Nacht
     kam und ihn besuchte. Er erhielt keine Antwort, hörte aber wieder, daß ihn jemand rief. Er glaubte, Graufells Stimme zu erkennen
     und lief dem Ton nach.
    Karr konnte den Elch vor sich her laufen hören, war aber nicht imstande, ihn einzuholen. Er stürzte in den dichtesten Tannenwald
     hinein, mitten durch das Dickicht, ohne Weg oder Steg zu benutzen. Karr war mehrmals nahe daran, die Spur zu verlieren. Dann
     aber ertönte es wieder: »Karr! Karr!« und die Stimme war die Graufells,obwohl sie einen Klang hatte, wie ihn der Hund nie zuvor gehört hatte. »Ich komme, ich komme. Wo bist du?« antwortete der
     Hund. – »Karr, Karr, siehst du nicht, wie es herabrieselt?« fragte Graufell. Und da sah Karr denn, daß unaufhörlich Nadeln
     von den Tannen herabrieselten wie ein feiner Regen. »Ja, ich sehe, daß es rieselt,« rief er, lief aber gleichzeitig immer
     tiefer in den Wald hinein, um den Elch zu finden.
    Graufell lief voraus, quer durch das Dickicht, und Karr war wieder nahe daran, die Spur zu verlieren. »Karr, Karr!« schrie
     Graufell, und es klang wie ein Brüllen. »Kannst du nicht merken, wie es hier im Walde riecht?« Karr blieb stehen und witterte.
     Er hatte bisher nicht darüber nachgedacht, konnte jetzt aber merken, daß die Tannen einen weit stärkeren Duft ausströmten
     als sonst. »Ja, ich kann merken, daß es hier stark riecht,« sagte er, ließ sich jedoch nicht Zeit, nachzusehen, woher es kam,
     sondern eilte weiter, Graufell nach.
    Der Elch lief mit einer solchen Eile, daß der Hund ihn nicht einzuholen vermochte. »Karr, Karr,« rief er nach einer Weile,
     »kannst du nicht hören, wie es in den Tannen knarrt!« –Jetzt war die Stimme so betrübt, daß es einen Stein rühren mußte. Karr
     stand still, um zu lauschen, und er hörte ein schwaches aber deutliches Knarren oben in den Bäumen. Es klang wie das Ticken
     einer Uhr. »Ja, ich kann es ticken hören,« rief Karr und lief nun nicht mehr. Er begriff, daß der Elch nicht wollte, daß er
     ihm folgen sollte, sondern daß er etwas beachten sollte, was hier im Walde vor sich ging.
    Karr stand gerade unter einer Tanne, die buschige,herabhängende Zweige und grobe, dunkelgrüne Nadeln hatte. Er sah den Baum genau an, und da war es ihm, als wenn sich die
     Nadeln bewegten. Er ging näher heran und entdeckte nun eine Menge grauweißer Larven, die auf den Zweigen herumkrabbelten und
     von den Nadeln fraßen. Jeder Zweig wimmelte von ihnen, sie nagten und fraßen. Es tickte und tickte in den Bäumen von allen
     ihren kleinen arbeitenden Kiefern. Unaufhörlich fielen abgenagte Tannennadeln zur Erde, und den armen Tannenbäumen entströmte
     ein so starker Duft, daß der Hund es fast nicht ertragen konnte.
    »Die Tanne wird kaum viele von ihren Nadeln behalten,« dachte er und

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