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Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil

Titel: Niels Holgersens wunderbare Reise mit den Wildgaensen - Zweiter Teil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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fast schön wurde.
    Die Wildgänse flogen an Fabriken und Frachtdampfern vorüber und näherten sich den nebelumhüllten Türmen. Da sanken plötzlich
     alle Dächer bis zum Wasser hinab, mit Ausnahme von einigen leichten, dünnen, fein rosenfarbenen, die über ihren Köpfen schwebten.
     Die anderen lagen da und wogten über Land und Wasser. Sie verbargen vollständig den Grundwall der Häuser und die unteren Teile,
     während man die obersten Stockwerke, die Dächer, Türme, Giebel und Frontespieze deutlich sehen konnte. Einige Häuser erschienen
     dadurch so hoch, daß man an den Turm von Babel denken mußte. Der Junge konnte ja begreifen, daß sie auf Hügeln und Höhenzüge!!
     erbaut waren, aber die sah er nicht, er sah nur die Gebäude, die über den Dächern schwebten. Die Dächer warenschimmernd weiß, und die Häuser lagen schwarz und finster da, denn die Sonne stand im Osten und beschien sie nicht.
    Niels begriff, daß er über eine große Stadt dahinschwebte, denn überall sah er Dächer und Türme aus dem Nebel aufragen. Zuweilen
     entstand eine Öffnung in den wogenden Nebeln, und er sah hinab in einen rinnenden, brausenden Strom, konnte aber nirgends
     Land erblicken. Es war alles schön zu sehen, doch fühlte er sich fast beklemmt, wie dies der Fall ist, wenn man Dingen begegnet,
     die man nicht versteht.
    Sobald er die Stadt hinter sich hatte, war die Erde nicht mehr von Nebeln verhüllt; man konnte wieder deutlich den Strand,
     das Wasser und die Inseln unterscheiden. Da wandte er sich um, in der Hoffnung, die Stadt jetzt besser sehen zu können, aber
     das gelang ihm nicht. Sie sah jetzt nur noch verzauberter aus. Der Sonnenschein färbte die Dächer, so daß sie ganz fein rosenfarben,
     blau und gelb dahinschwebten. Die Häuser waren so weiß, als seien sie aus Licht gebaut, während Fenster und Türme wie Feuer
     lohten. Und alles floß auf dem Wasser zusammen, so wie vorhin.
    Die Wildgänse flogen geradeswegs gen Osten. Anfangs sah es fast so aus, wie am Mälar. Zuerst flogen sie über Fabriken und
     Werkstätten. Dann sah man eine ganze Weile keine Villen am Ufer. Es wimmelte von Dampfern und Segelschiffen, aber jetzt kamen
     sie aus dem Osten und gingen nach Westen, in die Stadt hinein.
    Sie flogen weiter, und statt der schmalen Mälarbuchten und der kleinen Inseln breiteten sich eine weitere Wasserfläche und
     größere Inseln unter ihnen aus. Das Festlandwich zurück, bald war es nicht mehr zu sehen. Der Pflanzenwuchs wurde spärlicher, die Laubbäume seltener, die Föhren gewannen
     die Übermacht. Die Villen hörten ganz auf, und statt ihrer sah man Bauerhäuser und Fischerhütten.
    Sie flogen noch weiter, und jetzt waren da keine von den großen, bewohnten Inseln mehr, nur eine Unendlichkeit von kleinen
     Schären waren über das Wasser ausgestreut. Das Land dämmte keine Buchten mehr ein. Groß und unbegrenzt lag das Meer vor ihnen.
    Hier draußen ließen sich die Wildgänse auf einer Felsinsel nieder, und als sie festen Boden unter den Füßen hatten, wandte
     sich der Junge an Daunenfein: »Was für eine große Stadt war es, über die wir dahinflogen?« fragte er. »Ich weiß nicht, wie
     sie bei den Menschen heißt,« sagte Daunenfein. »Wir Graugänse nennen sie die Stadt, die auf dem Wasser schwimmt.«
    Die Schwestern.
    Daunenfein hatte zwei Schwestern, Flügelschön und Goldauge. Es waren starke und kluge Vögel, aber ihr Federkleid war nicht
     so weich und glänzend wie Daunenfeins, und ihr Sinn war nicht so sanft und milde. Schon als sie noch kleine, gelbe Gössel
     waren, hatten Eltern und Verwandte, ja sogar der alte Fischer, sie deutlich fühlen lassen, daß sie Daunenfein lieber hatten
     als sie, und deswegen hatten die beiden die Schwestern immer gehaßt. Als die Wildgänse auf der Schäre landeten, weideten Flügelschön
     und Goldauge auf einem kleinen grünen Fleckin der Nähe des Strandes. Sie erblickten die Ankömmlinge sofort.
    »Siehst du die prächtigen Wildgänse, die sich hier auf der Insel niederlassen, Schwester Goldauge?« fragte Flügelschön. »Selten
     habe ich Vögel mit einer so stolzen Haltung gesehen. Und sieh nur, sie haben einen weißen Gänserich unter sich! Sahest du
     je einen so schönen Vogel? Man sollte fast glauben, es sei ein Schwan.«
    Goldauge stimmte der Schwester bei, daß es sicher sehr vornehme Gäste waren, die hier auf der Insel landeten. Plötzlich aber
     unterbrach sie sich selbst und rief: »Schwester Flügelschön, Schwester

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