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Niemalsland

Titel: Niemalsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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schnarchte er.
    Die Öllampe neben seinem Kopf brannte mit kleiner Flamme. Varney schlief auf einem Haufen Lumpen, schnarchend und schniefend, und das Heft eines zweischneidigen Schwerts lag neben seiner Rechten auf dem Boden.
    Eine Hand drehte die Öllampe auf.
    Varney hatte das zweischneidige Schwert gepackt, noch bevor er die Augen öffnete. Er blinzelte und schaute sich um. Es war niemand da: Der Bettenstapel, der die Tür versperrte, war unberührt. Langsam ließ er das Schwert sinken.
    Eine Stimme sagte: »Psst.«
    »Hh?« machte Varney.
    »Überraschung!« sagte Mr. Croup und trat ins Licht.
    Varney wich einen Schritt zurück: ein Fehler. Schon hatte er ein Messer an der Schläfe, die Klingenspitze neben seinem Auge.
    »Ich würde Ihnen empfehlen, sich lieber nicht mehr zu bewegen«, sagte Mr. Croup zuvorkommend. »Mister Vandemar könnte aus Versehen mit seinem alten Krötenschlächter ausrutschen. Die meisten Unfälle passieren im Haushalt. Nicht wahr, Mister Vandemar?«
    »Statistiken sind Schall und Rauch«, sagte Mr. Vandemars Stimme. Eine behandschuhte Hand langte hinter Varneys Rücken nach seinem Schwert, zerquetschte es und ließ die verbogenen Überreste zu Boden fallen.
    »Wie geht es Ihnen, Varney?« fragte Mr. Croup. »Wir hoffen, gut? Ja? Gut in Form, frisch und munter für den Markt heute nacht? Wissen Sie, wer wir sind?«
    Varney nickte, soweit er das konnte, ohne einen Muskel zu bewegen. Er wußte, wer Croup und Vandemar waren.
    Seine Augen suchten die Wände ab. Ja, da: der Morgenstern – eine stachlige Holzkugel, gespickt mit Nägeln, an einer Kette in der gegenüberliegenden Ecke des Raumes …
    »Es geht die Kunde, daß eine gewisse junge Dame heute abend einen Leibwächter engagieren wird. Hatten Sie sich vielleicht mit dem Gedanken befaßt, sich für diese Tätigkeit zu bewerben?« Mr. Croup pulte sich in den Zähnen. »Artikulieren Sie deutlich.«
    Varney nahm mit seinen Gedanken den Morgenstern von der Wand. Das war sein spezieller Trick. Vorsichtig, jetzt … langsam … Er hob ihn vom Haken und zog ihn bis zum obersten Punkt des Tunnelgewölbes hoch …
    Mit dem Mund sagte er: »Varney ist der beste Bravo und Beschützer der Unterseite. Es heißt, ich sei der Beste seit Hunter.«
    Varney positionierte den Morgenstern gedanklich im Schatten oberhalb von Mr. Croups Hinterkopf.
    Er würde zuerst Croup den Schädel einschlagen, und dann wäre Vandemar an der Reihe …
    Der Morgenstern fuhr auf Mr. Croups Kopf nieder: Varney warf sich zu Boden, fort von der Klinge an seinem Auge.
    Mr. Croup sah nicht hoch. Er drehte sich nicht um. Er bewegte einfach den Kopf, unerhört schnell, und der Morgenstern flog an ihm vorbei und schlug im Boden ein, wo er Backstein- und Betonsplitt aufspritzen ließ.
    Mr. Vandemar hob Varney mit einer Hand hoch. »Soll ich ihm wehtun?« fragte er seinen Kompagnon.
    Mr. Croup schüttelte den Kopf: Noch nicht. Zu Varney sagte er: »Nicht schlecht. Also, ›bester Bravo und Beschützer‹, wir wollen, daß Sie heute auf den Markt gehen. Wir wollen, daß Sie alles daransetzen, der persönliche Leibwächter dieser gewissen jungen Dame zu werden. Dann, wenn Sie die Stellung haben, merken Sie sich eins: Sie dürfen sie vor der ganzen Welt beschützen, aber wenn wir sie haben wollen, bekommen wir sie. Verstanden?«
    Varney fuhr mit der Zunge über seine Zahnruinen. »Wollen Sie mich bestechen?« fragte er.
    Mr. Vandemar hatte den Morgenstern aufgehoben. Mit seiner freien Hand zerriß er die Kette Glied für Glied und ließ die verbogenen Metallteile zu Boden fallen. Tschink.
    »Nein«, sagte Mr. Vandemar. Tschink. »Wir wollen Ihnen Angst machen.« Tschink. »Und wenn Sie nicht tun, was Mister Croup sagt, werden wir …« tschink »… Ihnen sehr …« tschink »… wehtun, bevor wir …« tschink »… Sie auf noch schmerzhaftere Art und Weise umbringen.«
    »Ah«, sagte Varney. »Dann arbeite ich also für Sie?«
    »Allerdings«, antwortete Mr. Croup. »Ich fürchte jedoch, wir haben keine guten Seiten.«
    »Das macht nichts«, sagte Varney.
    »Gut«, erwiderte Mr. Croup. »Willkommen an Bord.«
    Es war ein raffinierter Mechanismus, aus poliertem Walnußholz, aus Messing und Glas, aus Kupfer und Spiegeln und geschnitzten Elfenbeinintarsien, aus Quarzprismen und Hebeln und Federn und Zahnrädern aus Messing. Das Ganze war größer als ein Fernseher, obgleich der eigentliche Bildschirm nicht mehr als fünfzehn Zentimeter Durchmesser hatte. Eine Lupe vor dem Schirm

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