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Niemalsland

Titel: Niemalsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil Gaiman
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restliche City of London immer noch die alte war: Er lugte über das Dach, wandte den Blick von seinem geliebten Himmel ab und starrte hinunter auf die natriumbeleuchtete Straße. Er sah Überwachungskameras an einer Wand, ein paar Autos und einen späten Büroangestellten, der eine Tür abschloß und dann zur U-Bahn ging.
    Brrr. Allein der Gedanke daran, sich unter die Erde zu begeben, ließ Old Bailey schaudern. Er war ein Dachmann, und darauf war er stolz; dem Erdboden war er schon vor langer Zeit entflohen …
    Old Bailey erinnerte sich noch an Zeiten, als die Menschen noch hier in der City lebten, anstatt nur zu arbeiten; lebten und liebten und lachten, Häuser bauten, die sich eins ans andere lehnten, jedes voller Menschen. Tja, der Lärm und der Dreck und der Gestank und die Lieder aus der Gasse gegenüber (die damals Shitten Alley, vollgeschissene Gasse, hieß) waren zu ihrer Zeit legendär.
    Jetzt lebte niemand mehr in der City. Sie war ein kaltes und freudloses Büroviertel geworden: Tagsüber arbeiteten die Menschen hier, und abends fuhren sie irgendwohin nach Hause. Die City war kein Ort zum Leben mehr. Er vermißte sogar den Gestank.
    Das letzte Fleckchen Orange wurde zu einem nächtlichen Blaurot.
    Er deckte die Käfige zu, damit die Vögel eine Mütze voll Schlaf nehmen konnten. Sie murrten und schlummerten dann ein.
    Old Bailey kratzte sich an der Nase, ging dann in sein Zelt und holte einen rußgeschwärzten Kochtopf, Wasser, ein paar Karotten und Kartoffeln, Salz und zwei tote, gerupfte Stare heraus.
    Er ging aufs Dach hinaus, machte in einer rußigen Kaffeebüchse ein kleines Feuer und setzte gerade seinen Eintopf auf, als ihm bewußt wurde, daß ihn jemand aus dem Schatten neben einem Schornstein heraus beobachtete.
    Er nahm seine Röstgabel und gestikulierte damit drohend in Richtung Schornstein. »Wer ist da?«
    Der Marquis de Carabas trat aus dem Schatten, verneigte sich flüchtig und lächelte strahlend. Old Bailey ließ seine Röstgabel sinken. »Ach«, sagte er. »Sie sind’s. Nun, was wollen Sie? Informationen? Oder Vögel?«
    Der Marquis ging zu ihm, fischte eine rohe Karottenscheibe aus dem Eintopf und zerkaute sie. »Informationen«, sagte er. Old Bailey gluckste. »Hah!« sagte er. »Na, das ist ein Ding, was?« Dann beugte er sich zu dem Marquis. »Was bekomme ich dafür?«
    »Was brauchen Sie?«
    »Vielleicht sollte ich das gleiche wie Sie tun. Ich sollte verlangen, daß Sie mir eines Tages einen Gefallen tun müssen. Als Investition.« Old Bailey grinste.
    »Das ist auf die Dauer viel zu teuer«, sagte der Marquis humorlos.
    Old Bailey nickte. Jetzt, da die Sonne untergegangen war, wurde es sehr schnell sehr kalt.
    »Dann eben Schuhe. Und eine Wollmütze.« Er inspizierte seine fingerlosen Handschuhe: Sie bestanden fast nur aus Löchern. »Und neue Handschuhe. Es wird ein hundsgemeiner Winter.«
    »Wie Sie wollen. Ich werde Ihnen alles besorgen.« Der Marquis de Carabas steckte seine Hand in eine Innentasche und holte wie ein Zauberkünstler, der plötzlich eine Rose in der Hand hält, die schwarze Tierfigur hervor, die er aus Porticos Arbeitszimmer hatte mitgehen lassen. »Also. Was können Sie mir hierüber sagen?«
    Old Bailey setzte seine Brille auf. Er nahm de Carabas den Gegenstand aus der Hand. Er fühlte sich kalt an. Old Bailey setzte sich auf das Gebläse einer Klimaanlage, und dann verkündete er, die Obsidianstatue hin- und herdrehend: »Das ist das Große Ungeheuer von London.«
    Der Marquis sagte nichts. Seine Augen flackerten ungeduldig zwischen der Statue und Old Bailey hin und her.
    Old Bailey genoß es, den Marquis ein wenig auf die Folter spannen zu können, und fuhr fort: »Also, es heißt, noch vor dem Feuer und der Pest habe ein Metzger unten am Fleet gelebt, und der besaß so eine arme Kreatur, die er für Weihnachten mästen wollte. (Einige sagten, es sei ein Ferkel, und andere meinten, es sei keins, und dann gab es noch welche, die wußten es gar nicht.) Eines Nachts ist das Tier weggelaufen, hinein ins Fleet, und es verschwand in der Kanalisation. Und es ernährte sich von den Abwässern, und es wuchs und wuchs. Und es wurde immer grausamer und gefährlicher. Von Zeit zu Zeit ließ man es jagen.«
    »Es muß doch schon seit dreihundert Jahren tot sein.«
    Old Bailey schüttelte den Kopf. »So etwas ist zu böse, um zu sterben. Zu alt und groß und häßlich.«
    Der Marquis seufzte. »Ich dachte, das sei bloß eine Legende«, sagte er. »Wie die Alligatoren

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