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Niemand hört dich schreien (German Edition)

Niemand hört dich schreien (German Edition)

Titel: Niemand hört dich schreien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Burton
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empfunden. In San Francisco war sie eine erfolgreiche Fotografin gewesen. Alle Galeristen der Umgebung hatten ihren Namen und ihre unkonventionellen Landschaftsaufnahmen gekannt, und recht bald hatte sie einen festen Kundenstamm gehabt. In jenen Tagen war ihr das Geld nur so in den Schoß gefallen. Erstaunlich, wie wenig sie über Geld nachgedacht hatte, solange sie es besaß.
    Dann war es mit ihrer Ehe bergab gegangen, und um sie zu retten, hatte sie die Fotografie aufgegeben. Ihr Einkommen war versiegt. Als ihr Mann gewalttätig geworden war, war sie ohne einen Penny in der Tasche nach Richmond geflohen.
    Das war jetzt sieben Monate her. Ihr Ehemann war tot. Sie blickte nun nicht mehr dauernd ängstlich über die Schulter. Sie wachte auch nicht mehr mitten in der Nacht auf und hielt im Dunkeln nach Richard Ausschau.
    Sie hatte eine zweite Chance bekommen. Und sie versuchte, über all das hinwegzukommen. Doch es gelang ihr nicht, beim Fotografieren zu dem lebendigen, eigenwilligen Stil zurückzukehren, der einmal ihr Markenzeichen gewesen war. Irgendwie brachte sie nichts zustande, was gut genug für eine Galerie war.
    Das Baby trat sie erneut.
    Während der letzten drei Jahre war ihr ganzes Leben aus den Fugen geraten. Als Künstlerin hatte sie ein spontanes, egoistisches und unbekümmertes Leben geführt. Sorgen um die Zukunft oder um Geld hatte es nicht gegeben.
    Jetzt ging es bei ihr nur noch um die Zukunft und um Geld. Der Wunsch, Kunst zu schaffen, hatte sich verflüchtigt, und sie machte Porträtfotos, um finanziell über die Runden zu kommen. Aufträge, über die sie noch vor drei Jahren die Nase gerümpft hätte, ermöglichten es ihr nun, die Miete zu bezahlen. Überkandidelte Bräute, schreiende Kinder, absonderliche Familien, selbst Geschäftsporträts – alles war ihr willkommen.
    Obwohl sie festgestellt hatte, dass sie eine Begabung für die Arbeit mit Menschen besaß, wünschte sie sich die Zeiten zurück, in denen das Leben so leicht gewesen war. Wie gerne hätte sie sich die Kamera geschnappt und wäre zum Zelten in die Berge gefahren, um frühmorgens aufzustehen und den Sonnenaufgang einzufangen, so wie sie es früher getan hatte. Wie gerne hätte sie mit Freunden die ganze Nacht hindurch Wein getrunken und über die neueste Kunstausstellung diskutiert. Sie wünschte sich, ihre alten Jeans wieder zuknöpfen und auf dem Bauch schlafen zu können, ohne alle fünf Minuten zur Toilette zu müssen. Sie wollte ihren Körper zurück, ihr Leben.
    Nicole atmete tief aus, holte den Schlüsselbund aus der Tasche und schloss die Tür zu ihrem Atelier auf.
    Sie hatte die Räumlichkeiten nicht wegen der angesagten Lage, der niedrigen Miete oder ihrer Geschichte ausgesucht, auch wenn das alles wunderbar passte. Sie hatte sie wegen des Lichts gemietet, das durch die sechs bodentiefen Fenster zu beiden Seiten hereinfiel. Die schweren Fensterläden erlaubten es Nicole, selbst zu bestimmen, wie hell es während eines Fotoshootings sein sollte, doch meistens ließ sie sie ganz offen. Sie liebte natürliches Licht. Es brachte Schattierungen mit sich, die künstliche Beleuchtung einfach nicht besaß.
    Nicole ließ Schlüssel und Post auf einen abgenutzten Schreibtisch fallen, den sie gebraucht gekauft hatte. In ihrem Eingangskorb lag ein dicker Papierstapel, und in ihrem Terminkalender steckten etliche Schriftstücke, die noch zu bearbeiten waren. Papierkram – ein weiteres Merkmal dieses neuen Lebens, mit dem sie sich abmühte.
    Sie zog ihren Mantel aus, legte ihn auf den Schreibtischstuhl und öffnete die Fensterläden. Selbst an diesem grauen Tag war das Atelier lichtdurchflutet. Es gab ein weißes Sofa, zwei Holzstühle und einen Schemel, den sie für Porträtaufnahmen benutzte. An der rückwärtigen Wand hingen verschiedene Fotohintergründe, und ihre neuesten Porträts bedeckten die weiß gestrichenen Wände des Raums. Im hinteren Teil des Ateliers befand sich eine Tür, die zu ihrer Dunkelkammer führte. Es war ein kleiner Raum, weniger als einen Meter fünfzig im Quadrat, doch ihr genügte er zum Arbeiten.
    Sie legte eine gewölbte Hand unter ihren schweren Bauch und durchquerte den Raum in Richtung Dunkelkammer. Dort knipste sie das rote Licht an und betrachtete die Bilder, die an der Leine trockneten. Heutzutage nutzten so viele Fotografen Digitalkameras, aber sie liebte die vielen Möglichkeiten, die der fotografische Film ihr gab. Er verlieh ihren Arbeiten eine Tiefe, die durch nichts zu ersetzen war.
    Doch

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