Niemand hört dich schreien (German Edition)
den Kopf. »Nein. Offen gestanden hatte ich es eigentlich erwartet. Eine vorläufige Gewebeuntersuchung hat ergeben, dass sie mit Barbituraten vollgepumpt war.«
»Drogen, wie sie bei Date-Rapes verwendet werden?«
Dr. Butler nickte. »So war meine Überlegung. Das Medikament hätte sie gefügig gemacht.« Er drehte die Innenseite des blassen Arms der Toten nach oben. Ihre blaugrünen Venen waren von Einstichen übersät. »Die sind innerhalb von zwei Tagen entstanden.«
»Wie lange dauert es, bis wir wissen, was genau ihr injiziert wurde?«, fragte Zack.
»Zwei Wochen.«
»Und besteht die Möglichkeit, dass sie es selbst getan hat?«, regte Jacob an.
»Ich glaube nicht.« Dr. Butler schüttelte den Kopf. »Deswegen habe ich sie ja aufgeschnitten. Ihr Herz hatte eine normale Größe, genau wie ihre Leber. Schauen Sie.«
Jacob riss sich zusammen und beugte sich vor.
Zack hob eine Hand. »Ich glaube es Ihnen auch so.«
Dr. Butler zuckte die Achseln. »Diese Frau hat sehr auf sich achtgegeben. Gutes Körpergewicht, feste Muskeln, ein gesundes Herz, in der Lunge keinerlei Anzeichen von Zigarettenkonsum. Gute Zähne. Sie hat keine Drogen genommen.«
Jacob krümmte die Finger. Für einen Augenblick wanderte sein Blick zu dem bleichen, regungslosen Gesicht der Toten. Er dachte an das Foto, das letztes Jahr an Halloween von ihr gemacht worden war. Lächelnd. Voller Leben.
»Wie zum Teufel kommt es dann, dass sie an einen Stuhl gefesselt, mit Medikamenten vollgepumpt, erwürgt und wie ein Stück Abfall weggeworfen wird?«
»Haben Sie schon mit ihrem Ehemann gesprochen?«, fragte Dr. Butler. »Die meisten Frauen, die ich zu sehen bekomme, wurden von jemandem getötet, den sie kannten.«
Zack steckte die Hände in die Hosentaschen und klimperte mit dem Kleingeld. »Wir suchen noch nach ihm.«
Die Tür wurde geöffnet, und Tess kam in den Autopsieraum. Sie wirkte genauso angespannt wie ihr Bruder. Das lange dunkle Haar hatte sie zusammengebunden. Sie trug eine helle Baumwollhose und eine dunkle Bluse. Schatten unter ihren Augen verrieten, dass sie letzte Nacht wach geblieben war und an dem Fall gearbeitet hatte. »Bei deiner Dienststelle hieß es, ich würde dich hier finden. Ich musste sowieso runter und dachte mir, vielleicht erwische ich dich noch.«
Der Arzt drehte sich zu Tess um. Einen kurzen Moment lang starrte er sie an, dann wandte er den Blick ab.
Zack nickte seiner Schwester zu. »Hast du irgendwas Ungewöhnliches an der Leiche gefunden?«
Tess schlug die Akte auf, die sie mitgebracht hatte. »Viel war da nicht. Aber an der linken Seite ihres Mantels habe ich Teppichfasern gefunden.«
»Auf der linken Seite?«, fragte Dr. Butler.
Tess zuckte die Achseln. »So, als hätte man sie über den Teppich geschleift.«
Der Arzt nickte. »Das erklärt die leichte Rötung am linken Arm.«
»Was kannst du uns über die Fasern sagen?«, fragte Jacob.
Tess schaute in ihre Notizen. »Ein gewöhnlicher Teppich. Ganz neu. Und die Fasern waren rosa.«
»Rosa?« Zack und Jacob hatten das Haus der Toten bis tief in die Nacht durchsucht, gemeinsam mit einem Beamten von der Spurensicherung, der die Haustür anschließend versiegelt hatte. »Bei ihr zu Hause gibt es nichts Rosafarbenes.«
Zack nickte. »Beige, braun und wollweiß. Überhaupt keine Farben.«
»Ist ihr Auto schon gefunden worden?«, fragte Tess.
»Nein«, antwortete Jacob. »Aber ihr Chef sagte, es sei ein schwarzer Jetta, innen beige, Nummernschilder aus Virginia.«
Tess blätterte in ihren Aufzeichnungen. »Unter ihren Fingernägeln waren keine Hautpartikel. Keine Chemikalien auf ihrer Kleidung. Keine Fingerabdrücke auf ihrer Gürtelschnalle.«
Jacobs Handy vibrierte an seiner Hüfte. Er schaute auf die Nummer. »Entschuldigung.« Er stellte sich etwas abseits und klappte das Handy auf. »Warwick.«
Jacob lauschte, während der Streifenpolizist, der mit der Überwachung von Phil Whites Haus beauftragt war, berichtete, der Mann sei vor fünf Minuten heimgekehrt. »Gut. Stellen Sie sicher, dass er nicht wegfährt.« Er sah Zack an. »Der Ehemann ist zu Hause.«
Zack nickte. »Gehen wir.«
»Brett, ich habe eben eine anonyme SMS bekommen. Der Absender kennt den Namen der Toten, die am Fluss gefunden wurde«, erklärte Kendall, als sie ihren Kopf in Bretts Büro steckte.
Er schaute vom Schreibtisch auf. »Wie heißt sie?«
Kendall schnippte mit dem Zeigefinger gegen den Rand des Klebezettels in ihrer Hand. Sie hatte früher schon solche
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