Niemand hört dich schreien (German Edition)
anonymen Hinweise erhalten und fragte sich immer, was die Absender damit bezweckten. »Meiner Quelle zufolge hieß sie Jackie White. Ich habe schnell recherchiert und herausgefunden, dass sie am Mayberry Drive wohnt und Sekretärin bei Trainer Engeneering ist. Achtunddreißig. Getrennt lebend.« Schnell Fakten zusammenzutragen, war ihre Spezialität. Sie gab Brett den Zettel.
Er warf einen Blick auf die Adresse von Jackies Arbeitgeber und auf ihre Privatadresse. Dann schaute er auf seine Armbanduhr. »Die Orte liegen nahe beieinander. Wenn du dich beeilst, schaffst du beide noch vor Redaktionsschluss. Wir haben noch fünf Stunden bis zur Sendung.«
»Ich will mit dem Ehemann sprechen.«
Ihre Bestimmtheit schien ihm zu gefallen. »Nur zu. Wo ist Mike?«
Sie lächelte selbstzufrieden. »Draußen, er heizt schon mal den Wagen vor.«
Brett grinste. »Hätte ich mir denken können.« Er stand auf, ging um den Schreibtisch herum und blieb nur wenige Zentimeter von Kendall entfernt stehen. »Ich wusste, dass es eine gute Idee war, dir den Job zu geben.«
Ungeduld erfasste sie, und sie fürchtete sich vor der Richtung, die diese Unterhaltung nahm. »Es war eine deiner besten.« Sie wandte sich zum Gehen, doch er hielt sie am Arm fest, sanft, aber bestimmt. Sein Blick war voller Gefühl. »Du fehlst mir, Kendall.«
Seit sie den Job als Nachrichtenmoderatorin übernommen hatte, hatte es gottlob keine Gespräche mit Brett über ihre verflossene Beziehung gegeben. »Wie kommt denn das auf einmal?«
Er schaute auf die Hand, die ihren Arm festhielt. »Es beschäftigt mich schon eine ganze Weile.«
Sie wollte diese Unterhaltung nicht führen. Zwischen ihnen war es aus. Schluss. Sanft entzog sie sich seinem Griff. »Jetzt ist nicht der richtige Augenblick.«
Seine Züge verhärteten sich. »Wir müssen die Zeit finden, um über uns beide zu reden.«
»Es gibt kein ›uns beide‹ mehr, Brett. Das war letztes Jahr vorbei. Und soweit ich mich erinnere, warst du froh, dass es vorbei war.«
Er strich ein imaginäres Haar von ihrer Schulter. »Es war ein Fehler, Schluss zu machen.«
Damals hatte sie noch gedacht, es sei vielleicht ein Fehler, aber jetzt nicht mehr. »Es war der einzig richtige Schritt für uns beide.« Sie verstand inzwischen, dass Brett nur das wollte, was mühelos zu haben war. Er wollte eine Beziehung voller glücklicher Momente. Die harten, anstrengenden Zeiten schlugen ihn in die Flucht.
»Das glaube ich dir nicht.«
Ärger wallte in ihr auf. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, in der sie seine Unterstützung wirklich gebraucht hätte, und er hatte ihr die Hilfe verweigert. »Du musst es akzeptieren. Zwischen uns ist es vorbei.«
»Hast du einen anderen?« Seine Stimme klang vorwurfsvoll.
Der Tonfall gefiel ihr gar nicht. »Das geht dich nun wirklich nichts an.«
Er atmete gepresst aus. »Es ist eine ganz einfache Frage.«
»An dieser Frage ist gar nichts einfach.«
Brett wirkte frustriert. »Wieso musst du so dickköpfig sein?«
Sie zog eine Braue hoch. »Ich bin an einer Story dran und habe keine Zeit hierfür.«
Einen Augenblick lang wirkte es, als wollte er ihr den Weg versperren, doch dann trat er beiseite.
Kendall verließ das Büro. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, dass sie den Atem angehalten hatte und wie sehr sie sich innerlich verkrampft hatte, bevor sie von ihm wegkam. Bretts Verhalten war anstrengend – und es war etwas, was ihr früher nicht aufgefallen war.
Ihre hohen Absätze klapperten geschäftig, während sie durch den Flur auf den Hinterausgang zueilte. Sie öffnete die große Doppeltür und sah den weißen Sendewagen. Mike saß auf dem Fahrersitz, der Motor lief, und die Heizung summte.
Kendalls Karriere verlief genau nach Wunsch, und mit ihrem Haus ging es ebenfalls voran. Ausgerechnet jetzt wollte Brett die Vergangenheit aufwühlen. Die Vergangenheit . Immer wenn sie sich umdrehte, saß ihr die Vergangenheit im Nacken.
Sie kletterte auf den Beifahrersitz und gab Mike eine Haftnotiz mit einer Adresse. »Lass uns zuerst dahin fahren.«
Mike warf einen Blick auf den Zettel und fuhr los. Er kannte das Stadtgebiet wie seine Westentasche und brauchte nur selten eine Karte. »Wen treffen wir dort?«
»Es geht um die Frau, die sie Dienstag am Fluss gefunden haben. Wir haben ihren Namen. Ihr Ehemann wohnt dort.«
»Cool.«
Aus irgendeinem Grund reizte sie diese beiläufige Bemerkung. »Cool. Wir recherchieren den Mord an einer Frau.«
Mike sah sie kurz an, während er
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