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Niemand hört dich schreien (German Edition)

Niemand hört dich schreien (German Edition)

Titel: Niemand hört dich schreien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Burton
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Arbeitsstiefel. Muskulöser Körperbau. Kurze Haare. Und er hatte ein eigenartiges Grinsen im Gesicht, das ihr nicht gefiel.
    »Du bist ja wach«, sagte er freundlich. »Ich dachte schon fast, du würdest nicht rechtzeitig aufwachen.«
    Sie versuchte, nicht so verängstigt auszusehen, wie sie sich fühlte. »Was mache ich hier? Arbeiten Sie für Ronnie T.?«
    »Ich habe noch nie von Ronnie T. gehört. Ist er ein Freund von dir?«
    Sachte schloss er die Tür hinter sich. Das Zimmer war ziemlich groß, aber mit ihm darin schrumpfte es. Sie fühlte sich in der Falle. »Er und ich haben früher zusammengearbeitet.«
    »Ich verstehe.« Er durchquerte den Raum, zog einen Stuhl vom Schreibtisch weg und stellte ihn vor sie hin.
    Der Typ war der Kerl aus der Gasse. Der Kerl, der sie geschlagen hatte. Er sah völlig durchschnittlich aus. Wie Richie Cunningham in der Sitcom Happy Days . Ein ganz normaler Trottel. Wenn sie auf der Straße an ihm vorbeigegangen wäre, hätte sie keinen weiteren Blick an ihn verschwendet. Die moralischen Typen hatten sie nie gereizt. »Wer sind Sie?«
    Er setzte sich rittlings auf den Stuhl und beugte sich zu ihr vor. »Du erkennst mich nicht?«
    »Aus der Gasse.«
    »Ich rede von früher.«
    »Nein.«
    Er beugte sich noch ein bisschen weiter vor und verschränkte die Hände. »Ich dachte, du würdest dich erinnern.«
    »Mann, das tu ich nicht. Und wenn Sie mich geschnappt haben, weil Sie glauben, ich könnte mich an irgendwas erinnern – ich kann’s nicht. Sie können mich gehen lassen, ich weiß nämlich über gar nichts etwas. Da können Sie jeden fragen.«
    Er sah enttäuscht aus. »Ich hatte gehofft, du würdest dich erinnern.«
    Vicky bewegte die Finger. Sie fühlte sich, als müsste sie jeden Moment aus der Haut fahren. »Tu ich nicht, Mister.«
    Er schüttelte den Kopf. »Das ist schade.«
    Schade? War er ein ehemaliger Freier? »Wenn Sie wollen, dass ich mich erinnere, werde ich mir mehr Mühe geben.« Wenn sie den Kerl zum Reden brachte, fiel ihr vielleicht etwas ein, womit sie ihn überzeugen konnte, sie gehen zu lassen.
    Er zuckte die Schultern. »Es hat keinen Sinn, das zu vertiefen. Wenn du erst einmal bei der Familie bist, wirst du es begreifen.«
    »Welche Familie?«
    »Meine Familie. Unsere Familie.«
    Er stand auf, griff in seine Hosentasche und ging um sie herum.
    Vickys Herz pochte heftig. Was zum Teufel war die Familie? Vielleicht eine Sekte. »Was haben Sie vor?«
    »Ich habe ein Geschenk für dich.« Sanft schob er ihr das Haar aus dem Nacken. »Du hast schöne Haut.«
    Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie war keine Heulsuse, schon seit ihrer Kindheit nicht. Aber etwas an diesem Typen ängstigte sie zu Tode.
    Sie drehte den Kopf und versuchte, ihm in die Augen zu sehen. »Mister, Sie haben das falsche Mädchen. Wirklich. Ich habe keine Familie. Ich heiße Vicky.«
    Er zog eine goldene Kette aus der Tasche. Daran hing ein kleines, ovales Amulett. Es fing das schwache Licht ein und funkelte.
    »Erinnerst du dich daran? Ich habe es dir auf der Straße gezeigt.«
    Ihr Puls raste. »Ja, es ist hübsch.«
    Er legte ihr die Kette um den Hals und hakte den Verschluss ein. Das Amulett fühlte sich kalt auf ihrer Haut an und hing genau über dem V-Ausschnitt ihres Pullis. Als sie nach unten schaute, sah sie, dass etwas darauf stand, aber sie konnte es nicht lesen.
    »Gefällt es dir?« Sanft strich er ihr über den Kopf.
    Die Anspannung zerriss sie. Mein Gott, ganz egal, was sie sagte, sie befürchtete, dass es nicht die richtige Antwort sein würde. »Ja, es ist hübsch. Es war sehr nett von Ihnen, es mir zu schenken.«
    »Freut mich, dass es dir gefällt.«
    Sie ballte die Hände und streckte sie. »Mister, wie wäre es, wenn Sie mich freiließen? Ich will keinen Ärger. Ich will nur gehen.«
    Er ging neben ihrem Stuhl in die Hocke und legte ihr eine Hand aufs Knie. »Ich kann dich nicht gehen lassen. Da draußen ist es einfach zu gefährlich für dich.«
    »Ich kann auf mich selbst aufpassen.«
    Sichtlich traurig zog er die Brauen zusammen. »Du solltest bei deiner Familie sein.«
    »Ich habe keine Familie. Ich war ein Pflegekind. Und mein Exmann und ich mögen uns nicht besonders.«
    »Wir sollen Vater und Mutter ehren.«
    Ein verzweifeltes Lächeln verzog ihre zitternden Lippen. Sie tat ihr Möglichstes, um nicht an ihre Mutter und ihren Vater zu denken. Sie hatte sie nicht mehr gesehen, seit sie acht war, und an sie zu denken, machte das Leben nur noch schwerer. »Ich

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