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Niemand hört dich schreien (German Edition)

Niemand hört dich schreien (German Edition)

Titel: Niemand hört dich schreien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Burton
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wahrnehmen.«
    »Hoffentlich nicht. Sie soll sich keine Sorgen machen. Das ist allein meine Sache.« Schützend rieb Nicole sich den Bauch.
    »Du brauchst dich nicht sofort für die Adoption zu entscheiden.« Kendall wusste nicht recht, woher diese Bemerkung auf einmal kam.
    Nicole runzelte die Stirn. »Das hat Carnie auch gesagt. Aber ich habe solche Angst, dass ich sie nicht lieben kann. Dass ich Richard in ihr sehe und sie schließlich sogar hasse. Das wäre das Allerschlimmste.« Nicole betrachtete das Profil der hoffnungsvollen Familie. »Und sie wünschen sich so sehr ein Baby.«
    Kendall klappte die Mappe zu. Auf einmal kam es ihr egoistisch vor, Nicole nicht von ihrer eigenen Adoption zu erzählen. »Es gibt da etwas, was du über mich nicht weißt. Eigentlich weiß es niemand, glaube ich.« Nervosität, Angst vor dem Verrat und das Bedürfnis, sich zu offenbaren, stürmten gleichzeitig auf sie ein. Zweifellos goss Whites Bemerkung noch Öl ins Feuer. Irgendwie erinnern Sie mich an Jackie .
    Nicole sah sie neugierig an. »Was denn? Bist du eine internationale Waffenhändlerin?«
    Um Kendalls Lippen spielte ein Lächeln, aber ihr war alles andere als heiter zumute. »Ich bin adoptiert.«
    Nicole blieb der Mund offen stehen, und ihre Wangen färbten sich rot, als wäre sie an eine Porzellanvitrine gestoßen und hätte sie beinahe umgeworfen. »Wow. Davon hast du nie ein Wort gesagt.«
    Es fühlte sich gut an, die Worte auszusprechen. »Meine Mutter, also meine Adoptivmutter, wollte nie, dass ich darüber rede. Sie hat immer ein großes Geheimnis daraus gemacht.«
    »Warum?«
    »Ich habe keine Ahnung.« Kendall ließ sich in die Polster zurücksinken. »Ich denke, das war damals einfach so. Vor fünfundzwanzig Jahren gingen die Leute nicht so offen damit um wie heute.«
    Nicoles Blick wurde nachdenklich. »Trotzdem – es niemandem zu sagen. In den meisten Dingen bist du doch so offen.«
    »Ich weiß, ich weiß. Aber ich habe von klein auf gelernt, dass man darüber nicht redet. Als wäre es irgendwie schlecht, es zu erzählen. Ein paarmal habe ich versucht, Mom und Dad danach zu fragen. Mom wich der Frage aus und sah ganz verletzt aus, und Dad sagte, ich solle es gut sein lassen.« Kendall hatte Mühe, Nicoles Blick standzuhalten.
    Nicole wirkte völlig verdutzt. »Ich habe noch nie erlebt, dass du eine unbeantwortete Frage auf sich hast beruhen lassen.«
    »Das ist die einzige, bei der ich das je getan habe. Ich glaube, ich habe sie so sehr geliebt, dass ich sie nicht enttäuschen wollte. Also ließ ich das Thema fallen.«
    »Deine Mutter ist doch seit über einem Jahr tot? Und wann ist noch mal dein Vater gestorben?«
    »Vor zehn Jahren.« Kendall seufzte. »Als Mom starb, habe ich sehr getrauert. Sie hat mir so sehr gefehlt. Also wollte ich unbedingt von Richmond weg und ganz groß rauskommen. Der letzte Sommer hat das allerdings geändert. An all die Schläuche angeschlossen im Krankenhaus zu liegen, hat mich dazu gebracht, über die wirklich wichtigen Dinge nachzudenken. Ich wollte die wenigen Wurzeln, die ich habe, nicht ausreißen.«
    Nicole legte die Stirn in Falten. »Aber willst du nicht etwas über sie wissen?«
    Mit »sie« meinte sie Kendalls leibliche Mutter. »Ich kann sie vermissen und sie einen Augenblick später hassen.« Kendall lächelte, um der Bemerkung die Härte zu nehmen. »Es ist kompliziert und schwer zu erklären. Ich bin so neugierig auf sie. Ich war fünfzehn Zentimeter größer als Mom. Und meine dunkle Haut ähnelte so gar nicht Moms blasser irischer Haut mit den Sommersprossen. Ich weiß nicht mal, wem ich ähnlich sehe.«
    »Aber du hast nie nachgeforscht.« Traurigkeit lag in Nicoles Stimme.
    »Nein.«
    Nicole schluckte. »Weißt du denn gar nichts über sie?«
    »Nein, nichts.« Kendall stieß hörbar die Luft aus. »Ich erzähle dir das alles nicht, um dir noch mehr aufzubürden. Ich wollte dir einfach nur sagen, dass ich adoptiert bin und bei den Menschen, die mich adoptiert haben, ein ganz tolles Leben hatte. Sie haben mich angebetet. Ich hätte mir nichts Besseres wünschen können.« Und doch hatte etwas gefehlt. In ihrem Herzen war ein Loch gewesen. Aber das konnte sie Nicole nicht sagen.
    »Danke. Ich weiß nicht, ob es das hier leichter macht«, meinte Nicole und nickte in Richtung der prallen Mappe. »Aber ich freue mich, dass du so tolle Eltern hattest.«
    Kendall stand auf. »Tu mir den Gefallen und behalte es für dich. Ich bin noch nicht dafür bereit, dass es

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