Niemand hört dich schreien (German Edition)
vorerst vertraulich bleiben.«
Sie spitzte die Ohren. »So etwas wie vertraulich gibt es nicht.«
Er blickte sie durchdringend an. »Wenn Sie mir nicht Ihr Wort geben, dass nichts von alldem nach außen dringt, gehe ich.«
Reporter waren von Natur aus neugierig, und sie bildete da keine Ausnahme. Warwick hatte ihr etwas Wichtiges zu sagen, und sie würde wahnsinnig werden, wenn sie es nicht erfuhr. Aber sie erkannte an seinem Gesichtsausdruck, dass er seine Drohung wahr machen würde, wenn sie ihm nicht Vertraulichkeit zusicherte. Mist. Es gab keinen anderen Weg. »Sie haben mein Wort.«
»Ich meine es ernst, Kendall. Kein Wort zu Dritten.«
Das ärgerte sie. »Wenn ich mein Wort gebe, halte ich es, Punkt.«
Er zögerte, und sie hätte nicht sagen können, ob er versuchte, sie zu durchschauen, oder ob er nach Worten suchte. »Hat Phil White je erwähnt, dass Sie seiner Frau ähnlich sehen?«
Das verblüffte sie. »Ich sehe Jackie White nicht ähnlich.«
»Er hat es gesagt, oder?« Warwick musterte unverblümt ihre hohen Wangenknochen und ihre lebhaften grünen Augen. »Sie war zwar nicht so hübsch wie Sie, aber die Ähnlichkeit ist da. Ich habe es sogar bemerkt, als sie bleich und leblos am Fluss lag. Es muss Ihnen doch aufgefallen sein.«
Kendall atmete tief ein. »Wollen Sie mir etwa Angst einjagen?«
Seine Augen verengten sich. »Das zweite Opfer sieht Ihnen ebenfalls ähnlich.«
Ihr Magen krampfte sich zusammen. »Braunes Haar und grüne Augen sind ziemlich häufig. Was Sie da an Ähnlichkeiten sehen, ist kompletter Zufall. Und falls Sie nicht noch etwas anderes haben – es ist spät, und ich möchte arbeiten.«
Er zog zwei Polaroidfotos aus seiner Jackentasche und legte sie auf ihren Schreibtisch. Es waren die beiden ermordeten Frauen. Unvermittelt überkam sie Traurigkeit, als sie die leblosen Gesichter ansah.
Sie schluckte. »Die Frauen sehen einander zwar ähnlich, aber mir nicht.«
»Das denken Sie doch nicht wirklich.«
»Doch.«
Er trommelte mit dem Zeigefinger auf den Tisch. »Haben Sie in letzter Zeit merkwürdige E-Mails bekommen? Fans, die auf Sie fixiert sind? Exfreunde, die einen Groll hegen?«
Da war der Informant, der ihr die SMS geschickt hatte. »Nichts Außergewöhnliches. Es gibt ein paar Leute, die mir öfters Nachrichten schicken, aber keine davon war bedrohlich.« Sie bemühte sich, gelassen auszusehen. »Ich denke, Sie klammern sich da an einen Strohhalm.«
Er starrte sie an, als versuchte er, ihre Gedanken zu lesen.
Und Kendalls Gedanken gingen zu den Träumen, die sie verfolgten. Die Schreie der unbekannten Frau hallten in ihrem Kopf wider. Sie schob die Erinnerung beiseite und konzentrierte sich auf die Fakten. »Es gibt keine Drohungen. Keine unheimlichen Typen. Keine seltsamen Anrufe. Es ist alles wie immer. Falls da jemand irgendeine abartige Fantasie auslebt, hätte ich doch wahrscheinlich etwas gemerkt.«
»Nicht unbedingt.« Er war wie ein Hund, der sich in einen Knochen verbissen hatte. »Was ist mit Exfreunden?«
»Mein Exfreund würde gern die Beziehung wieder aufleben lassen.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust und wusste nicht recht, wieso sie es erwähnte. »Ich habe klargestellt, dass aus uns nichts mehr wird.«
Warwick zog eine Braue hoch. »Hat er irgendetwas gesagt, das Ihnen Sorgen bereitet?«
»Nein. Ich glaube, er war ein bisschen frustriert, aber Brett ist immer frustriert wegen mir.«
»Brett Newington?«
Aus Loyalität zögerte sie ein wenig, doch dann antwortete sie: »Ja.«
»Weswegen war er frustriert?«
»Ich bin ihm wohl zu unabhängig. Ihm sind etwas fügsamere Frauen lieber.« Sie runzelte die Stirn. »Ich kenne Brett seit Jahren. Er ist okay.«
»Klar.«
»He, das ist etwas, das ihm beruflich schwer schaden könnte.«
»Ich kann auch unauffällig fragen.«
Sie hob eine Braue. »Sie sind ungefähr so unauffällig, wie ich fügsam bin.«
Ein Lächeln zuckte um seine Lippen und veränderte sein Gesicht für einen Augenblick vollkommen. Er sah nicht mehr so finster aus. Richtig attraktiv.
Sie massierte sich den Nacken. »Sie setzen einiges aufs Spiel, indem Sie mir das erzählen.«
»Ja.«
»Warum?«
Seine Miene wurde ernst. »Ich bin Ihnen etwas schuldig.«
Das überraschte sie. »Sie sind mir gar nichts schuldig.«
»Das sehe ich anders.« Er zuckte die Schultern. »Halten Sie einfach die Augen offen, Kendall. Haben Sie zu Hause eine Alarmanlage?«
»Ja.«
»Gut. Lassen Sie sie an.«
»In Ordnung.« Sie reichte
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