Niemand hört dich schreien (German Edition)
es, als wäre Kendall eine teure Zuchtstute.
»Wie sind die Quoten?«
»Waren nie besser. Das Publikum kann gar nicht genug von ihr kriegen. Falls es Ihnen nicht aufgefallen ist, sie ist eine sehr schöne Frau.«
»Das ist kaum zu übersehen.«
»Unter uns, sie ist ganz schön anstrengend.«
Die Frau, die Jacob gestern gesehen hatte, war alles andere als anstrengend gewesen. Sie war intelligent und fleißig. »Tatsächlich?«
Brett runzelte die Stirn. »Es ist kein Geheimnis, das wir einmal zusammen waren. Ich habe die Beziehung beendet, weil sie mich nachts ständig angerufen hat. Nach einer Weile war das ziemlich ermüdend.«
Die Unverblümtheit des Mannes verblüffte Jacob. »Das muss letzten Winter gewesen sein.«
»Ja.«
»Ungefähr damals lag ihre Mutter im Sterben.«
»Ja.«
»Kommt mir normal vor, dass eine Frau ihren Freund in so einer Lage anruft, damit er sie unterstützt.«
Brett richtete sich auf. »Schauen Sie, ich habe ja versucht, einfühlsam zu sein, wirklich. Aber mit der Zeit hat es mir schrecklich viel Energie abgezogen. Ich konnte nicht mehr arbeiten, weil sie mich nachts ständig wach hielt.« Er sah zu Boden und entfernte ein imaginäres Stäubchen von seiner Hose. »Vielleicht wäre es anders gekommen, wenn Mrs Shaw mich hätte leiden können. Aber sie machte keinen Hehl daraus, dass sie mich nicht mochte. Genauso wenig wie die Tatsache, dass Kendall beim Fernsehen arbeitet.«
»Warum denn?«
»Mrs Shaw war eine äußerst zurückhaltende Frau. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass sie Kendall ganz für sich behalten wollte. Ich habe versucht, mit Kendall darüber zu reden, aber sie wollte nichts davon hören. Sie war sehr loyal gegenüber ihrer Mutter.«
»Keine weiteren Verwandten?«
»Null. Um ehrlich zu sein, war es genau die fehlende Familie, die mich angezogen hat. Meine Exfrau hatte einen Haufen Verwandte, die ständig zwischen uns standen.« Brett lehnte sich in seinem ausladenden Bürostuhl zurück. »Worum geht es hier eigentlich?«
»Hat Ms Shaw in letzter Zeit merkwürdige Fanpost bekommen? E-Mails oder Briefe, die anders waren als sonst?«
Bretts Augen verengten sich. »Sie hat schon ein paar Mails bekommen. Aber das ist nicht so ungewöhnlich. Es gibt eine Menge armer Würstchen, die sich einbilden, einen Fernsehstar zu kennen. Warum fragen Sie?«
Jacob ließ die Frage unbeantwortet. »Würden Sie mir bitte Kopien davon besorgen? Ich würde sie mir gern ansehen.«
Brett beugte sich vor; sein Stuhl knarrte. »Hat Kendall sich wegen irgendwelcher Drohungen an Sie gewendet? Mit so etwas hätte sie zuerst zu mir kommen müssen.«
»Nein, keine Drohungen.«
Brett schaute auf seine Armbanduhr. »Was soll dieses Gespräch eigentlich?«
»Ich verfolge nur eine Idee. Wenn Sie mir die E-Mails besorgen, war’s das vorerst.«
Brett hob den Hörer ab. »Würden Sie mir bitte eine CD mit Kendalls Fanpost brennen? Prima. Wann? Jetzt sofort.« Er blinzelte Jacob zu, als wollte er ihm zu verstehen geben, dass alles in Butter sei.
Dann legte er auf und lehnte sich wieder in seinem Stuhl zurück. »Haben Sie je erwogen, Kendall zu den ›Hüter‹-Morden vom letzten Sommer ein Interview zu geben?«
Jacob erstarrte. Er hatte oft genug Interviewanfragen bekommen, sich aber immer geweigert. »Will Kendall denn ein Interview?«
Brett wich der Frage aus. »Das Thema ist immer noch brandheiß. Wir würden es erstklassig machen.« Die Augen des Mistkerls glänzten erwartungsvoll. Jacobs Leben war den Bach runtergegangen, und Brett wollte daraus eine Show machen.
»Was sagt Kendall dazu?« Seine Stimme war tief und klang beinahe wie ein Knurren.
»Bisher hat sie Nein gesagt. Sie weigert sich, das Thema anzufassen. Sie ist ganz schön dickköpfig, was das angeht. Aber wenn Sie zustimmen würden, würde sie es vielleicht doch tun.«
Jacobs Körperhaltung wirkte bedrohlich. »Kein Interview. Niemals.«
Überrascht von dem Grimm in Jacobs Augen räusperte sich Brett. »Okay.«
In der Tür erschien die Sekretärin, in der Hand eine CD . »Mr Newington, hier sind diese E-Mails.«
Brett schien erleichtert, sie zu sehen. »Prima.« Er nahm die CD entgegen, entließ die Sekretärin und händigte die CD dann Jacob aus.
Jacob steckte sie wortlos ein. Er traute seiner Stimme noch nicht so recht.
Brett schluckte. »Sie kennen ja den Weg hinaus.«
»Sicher.«
Jacob ging in die Eingangshalle zurück und blieb an der Empfangstheke stehen. Es war oft erstaunlich, was Empfangsdamen über
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