Niemand hört dich schreien (German Edition)
die Angestellten wussten.
Wie hieß sie noch mal? Sally. »Ich wette, Ms Shaw bekommt eine Menge E-Mails, Sally.«
Beim Klang ihres Namens leuchteten die Augen der Frau auf. »Sie bekommt pro Monat mindestens zwei Heiratsanträge von irgendwelchen Fans.«
»Das muss schön für sie sein.«
»Sie versucht, so viele zu beantworten wie möglich.«
»Gibt es Leute, die ihr regelmäßig E-Mails schicken?«
»Ich habe gehört, dass es ein paar gibt, die ihr öfters schreiben.«
»Hat Ms Shaw einen Freund?«
In die Augen der Frau trat ein wissender Ausdruck. »Nein.«
»Was ist mit Newington?«
Sie zog die Augenbrauen zusammen. Offenbar mochte sie den Mann nicht. »Nein.«
Jacob dachte an das Foto von Brett und Kendall, das in Bretts Büro stand. Der Mistkerl stand immer noch auf Kendall. »Vielen Dank.«
»Gern geschehen.«
Jacob verließ das Gebäude und setzte sich in seinen Wagen. Er dachte daran, wie Brett ihn um ein Interview wegen des Hüters gebeten hatte.
Sie ist ganz schön dickköpfig, was das angeht.
Offensichtlich hatte Brett Kendall unter Druck gesetzt, damit sie ein Interview mit ihm führte. Aber sie hatte sich geweigert.
Wie paradox. Jacob fühlte sich derart schuldig wegen ihrer Schussverletzung, dass sie als Einzige ein Interview von ihm bekommen hätte, hätte sie nur je danach gefragt.
Er ließ den Motor an.
Das Gefühl, Kendall verpflichtet zu sein, wurde immer stärker. Falls es irgendwo einen Irren gab, der sie bedrohte, würde er alles tun, um sie zu beschützen.
Kendall war spät dran. Nachdem sie letzte Nacht den Brief gefunden hatte, war sie furchtbar aufgedreht gewesen und hatte geglaubt, sie würde nicht mehr schlafen können. Kurz vor Sonnenaufgang war sie dann doch eingedöst und erst um halb zehn wieder aufgewacht.
Während sie die Treppe hinuntereilte, legte sie sich ein goldenes Armband an. Sie hatte ein wollweißes Kleid gewählt, das ihre schlanke Figur betonte und ihre olivfarbene Haut und das dunkle Haar zur Geltung brachte. Zu dem Armband trug sie passende dezente Goldohrringe.
Sie hatte das Haus um neun verlassen wollen, damit sie vor der Arbeit noch bei der Serenity Familienberatung vorbeischauen konnte. Die Einrichtung war zwar nicht an ihrer Adoption beteiligt gewesen, aber Kendall wollte mit Carnie Winchester über einen möglichen Suchauftrag sprechen. Nicole war überzeugt, dass Carnie sich im Labyrinth der Adoptionspraxis auskannte, und Kendall hatte eingesehen, dass sie auf diesem Gebiet Hilfe brauchte.
Aber sie musste sich beeilen. Liebend gern hätte sie den ganzen Tag für Carnie reserviert, doch es war nur eine Frage der Zeit, wann die Cops vor der Presse den Namen des letzten Mordopfers bekannt geben würden, und dann wollte sie verfügbar sein, um die Sache zu übernehmen. Sie hatte noch eine weitere SMS an den Informanten geschickt, der ihr beim Mord an Jackie White geholfen hatte, ohne jedoch eine Antwort zu erhalten.
An der Haustür klingelte es. Ihre hohen Absätze klapperten über den Fußboden, als sie sich beeilte, zur Tür zu kommen. Durch das ovale Seitenfenster sah sie Todd, ihren Schreiner. Einerseits war sie dankbar, dass er hier war, denn so rückte der Abschluss der Renovierungsarbeiten näher. Andererseits war sie es bereits leid, einen Fremden im Haus zu haben. Je schneller der Auftrag erledigt war, umso besser.
Sie entriegelte die Tür. »Guten Morgen.«
Der Mann tippte an den Schirm seiner Baseballkappe. In der anderen Hand hielt er einen zerbeulten Werkzeugkasten. »Morgen, Ms Shaw.«
Sie schlang die Arme um ihren Körper, als ein kalter Windstoß in die Diele fegte, und trat zur Seite. »Kommen Sie rein. Sie wissen ja, wo die Küche ist.«
Er grinste, zog die Schuhe aus und trat ein. »Ja, Ma’am.«
Sie schloss die Tür und rieb die Hände aneinander. »Wie läuft es denn?«
»Sehr gut. Ich habe die Rohre und die Anschlüsse für die neuen Geräte verlegt, und die Schränke kommen im Laufe des Tages.«
»Dann sind Sie im Zeitplan?«
»Ja, Ma’am.«
»Sie sind ein Engel.«
Das Kompliment ließ ihn erröten. »Ich tu nur meine Arbeit.«
Sie folgte ihm durch den Flur nach hinten. »Glauben Sie mir, ein pünktlicher Handwerker ist etwas Seltenes und Wunderbares.« Am Garderobenschrank blieb sie stehen, holte ihren weißen Mantel heraus und zog ihn über. »Heute Abend habe ich dann also die Küchenschränke?«
»Ganz genau.«
»Super.« Sie knotete den Gürtel des Mantels zu. »Heute muss ich früher weg. Meine
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