Niemand hört dich schreien (German Edition)
als wäre sie im Besitz eines Geheimnisses oder einer verborgenen Pointe, die sonst niemand kannte.
Jacob vergrub eine Hand in der Hosentasche. Seit er Kendall letztes Jahr zum ersten Mal im Fernsehen gesehen hatte, hatte er von ihr geträumt. Es hatte andere Frauen in seinem Leben gegeben, aber seine Gedanken kehrten immer wieder zu ihr zurück. Sie hatte es ihm angetan. Und das ärgerte ihn maßlos. Es gab nichts Schlimmeres, als etwas zu wollen, das man niemals haben konnte.
Er wandte sich an die Empfangsdame, zückte seine Marke und stellte sich vor. »Ich würde gerne Brett Newington sprechen.«
Die junge Frau machte große Augen. Sie nahm den Hörer ab und wählte eine Nummer. Sie ließ ihre Stimme eine Oktave tiefer klingen. »Hier ist ein Detective Warwick, der Sie sprechen möchte.« Sie lauschte, dann legte sie auf. »Er wird jeden Moment hier sein.«
Jacob musste nicht lange warten. Es dauerte kaum eine Minute, bis Brett Newington erschien. Er trug Hosen mit Bügelfalten und ein weißes Hemd, auf dessen Manschetten sein Monogramm gestickt war. Seine teuren Schuhe glänzten. Keine Krawatte. Ein Tausend-Watt-Lächeln, das seine Augen nicht erreichte.
Zwischen Kendall und diesem Typen war also etwas gelaufen? Jacob hätte die beiden nie zusammen gesehen. Sie war viel zu stark, zu lebendig. Diesen Kerl verspeiste sie doch zum Frühstück. Er konnte sich gut vorstellen, dass ein solcher Typ – einer, der sich für wer weiß wie toll hielt – mächtig sauer wurde, wenn eine Frau wie Kendall mit ihm Schluss machte.
»Detective Warwick«, sagte Brett und reichte ihm die Hand. »Gibt es ein Problem?«
Die Empfangsdame hatte den Kopf gesenkt, aber Warwick wusste, dass ihr nichts von dem Gespräch entging.
»Ich habe ein paar Fragen an Sie. Können wir uns irgendwo unter vier Augen unterhalten?«
»Natürlich.« Er blickte zu der Empfangsdame hinüber, die sich auf einmal sehr für ein Memo interessierte. »Sally, würden Sie meine Anrufe entgegennehmen?«
»Selbstverständlich, Mr Newington.«
Brett nickte, drehte sich wortlos um und schritt einen Flur entlang. Jacob folgte ihm. Die Renovierung hatte auch vor dem Gang nicht haltgemacht. Es roch immer noch leicht nach frischer Farbe und neuem Teppichboden.
Sie kamen an einem Büro vorbei, dessen Tür offen stand, und Jacob bemerkte, dass es das von Kendall Shaw war. Eine Praktikantin hielt Brett genau davor mit einer Frage auf. Jacob warf einen Blick hinein, und genau wie am Tag zuvor überraschte es ihn, wie klein der Raum war. Er wirkte geschmackvoll und zurückhaltend, wie alles an Kendall.
»Sie wollte kein größeres Büro«, sagte Brett. Er entließ die Praktikantin, und sie waren wieder allein. »Sie ist gerne mittendrin im Geschehen.«
Jacob hätte gedacht, dass sie alle Annehmlichkeiten wollte, die der Ruhm mit sich brachte. Er nickte und folgte Brett in sein Büro am Ende des Flurs. Der Raum war dreimal so groß wie der von Kendall. In der Ecke stand ein runder Besprechungstisch mit drei Stühlen und auf der gegenüberliegenden Seite Bretts ausladender Schreibtisch. Er bestand aus schimmerndem Glas und war übersät mit Papierstapeln und Sendungsmitschnitten. An den Wänden hingen Urkunden, die von Bretts Leistungen zeugten. Der Mann hatte einen beeindruckenden Werdegang hinter sich.
Brett schloss die Tür. Er setzte sich nicht an seinen Besprechungstisch, sondern hinter seinen riesigen Schreibtisch. »Nehmen Sie Platz.«
Jacob setzte sich Brett gegenüber. Falls der Kerl glaubte, ein Möbel würde ihn einschüchtern, hatte er sich geschnitten.
Von dem Sideboard hinter Brett starrte ihn eine Reihe Fotos an. Auf einem der größeren waren Kendall und Brett zusammen zu sehen. Kendall schaute genau in die Linse und lächelte strahlend. Brett grinste breit, blickte aber nicht in die Kamera, sondern zu Kendall hinüber. Es war nicht zu übersehen, dass der Kerl auf sie stand.
»Hübsches Bild«, sagte Jacob. »Wann ist es entstanden?«
Brett folgte seinem Blick. »Das war vor ungefähr fünf Monaten, an dem Abend, als Kendall ihre erste Sendung moderiert hat.« Die Leute, die auf dem Foto um sie herum standen, hatten gerade die Sektgläser erhoben.
Jacob konnte sich noch an die Sendung erinnern. »Sieht so aus, als wäre es eine Riesenfeier gewesen.«
»War es auch. Kendall dazu zu überreden, zu unserem Moderatorenteam zu stoßen, war ein großer Coup. Sie hat mich ein Vermögen gekostet, aber sie war es wert.«
Aus Newingtons Mund klang
Weitere Kostenlose Bücher