Niemand hört dich schreien (German Edition)
Mitbewohnerin ist noch hier, aber sie ist schon auf.«
»Gut. Ich würde sie nur ungern wecken. Sie braucht jetzt viel Schlaf. Wann kommt denn das Kind?«
»Schon in zwei Wochen.«
»Sie muss mächtig aufgeregt sein.«
»Sie ist bereit für die Geburt.« Kendall warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Ich muss los.«
»Gehen Sie nur.«
Gerade als sie nach ihrer Handtasche griff, klingelte ihr Handy. Sie unterdrückte einen Fluch und holte es aus der Tasche. »Kendall Shaw.«
Am anderen Ende meldete sich Brett. »Warwick war eben hier.«
Kendall lächelte Todd zu, drehte sich um und entfernte sich ein paar Schritte. »Was wollte er denn?«
»Er hat Fragen über dich gestellt. Und über irgendwelche E-Mails, die du bekommen hast.«
Kendall erschrak und dachte an die SMS des Informanten. Sie würde nicht auf dem Server des Senders zu finden sein, aber Warwicks Hartnäckigkeit konnte ihn leicht zu ihren Telefonverbindungen führen. »Warum?«
»Das würde ich selbst gern wissen.«
Die beiden Opfer sahen aus wie sie. Sie hatte versprochen, dieses Detail nicht zu verraten. Und sie würde es auch nicht tun, obwohl es die schlechteste Entscheidung war, die sie als Reporterin treffen konnte. »Ich habe keine Ahnung, wohinter er her war.«
Kendall hörte, wie Brett seine Bürotür schloss. »Ich mag es nicht, wenn man mich als Außenstehenden behandelt, Kendall. Du erzählst mir nicht alles.«
Die Gefühle, die in Bretts Stimme mitschwangen, trafen sie unvorbereitet. »Wieso sollte ich etwas verschweigen?«
»Genau das frage ich mich.«
Todd öffnete scheppernd seinen Werkzugkasten und holte einen Schraubenschlüssel heraus.
»Ich habe dafür jetzt keine Zeit. Wir sehen uns nachher im Büro«, sagte sie.
»Bist du mit Warwick zusammen?«
»Was?« Ihre Verblüffung war echt. »Nein.«
Angespanntes Schweigen folgte. »Sobald du im Büro bist, müssen wir reden. Über uns. Und diesmal rede ich.« Er klang wütend und frustriert. »Es gibt einiges zu klären.«
Klären? Zwischen ihnen war nichts mehr. Sie war sich nicht mal sicher, ob da jemals etwas gewesen war. Da ihr bewusst war, dass Todd sich in Hörweite befand, verkniff sie sich eine scharfe Erwiderung. »Bis nachher.«
»Alles in Ordnung?«, fragte Todd und steckte seinen Kopf aus der Küchentür.
Ihr Herz hämmerte, der Wortwechsel hatte sie erzürnt. »Ja. Alles bestens.« Sie nahm ihre Tasche und lächelte. »Bis morgen.«
Die kalte Luft draußen kühlte ihre geröteten Wangen. Sie ging rasch zu ihrem Wagen, ließ ihn an und fuhr aus der Garage. Zu dieser Uhrzeit hatte der Pendlerstrom nachgelassen, also brauchte sie für die Fahrt durch die Stadt nur ein paar Minuten. Bei der Adoptionsagentur angekommen, fuhr sie auf den Parkplatz hinter dem Gebäude und stellte ihren Wagen ab.
Sie eilte die Backsteinstufen hinauf, die zu dem einfachen Gebäude führten, und trat ein. Auf der Übersicht in der Eingangshalle stand » Serenity Familienberatung , Zimmer 204«. Sie stürmte die Treppe hoch und durch den Flur im zweiten Stock.
Am Empfang saß niemand. Dahinter lagen zwei Büroräume, von denen einer offen stand und der andere geschlossen war.
»Hallo? Hier ist Kendall Shaw.«
»Herein.« Die Stimme kam aus dem Raum mit der offenen Tür.
Kendall spähte in das Büro. Hinter dem Schreibtisch saß Carnie. Sie hatte das rote Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sanfte Wellen umrahmten ihr blasses Gesicht und betonten die Sommersprossen auf ihrer schmalen Nase. Sie trug einen dunkelgrünen Rollkragenpullover, schwarze Ohrhänger und Jeans. Lächelnd stand sie auf. Sie hatte etwas Unbekümmertes, Entspanntes an sich, um das Kendall sie beneidete.
»Carnie«, sagte Kendall erleichtert.
»Kendall Shaw.«
»Danke, dass Sie mich empfangen.« Sie schlüpfte aus dem Mantel und legte ihn sich über den Arm.
»Was kann ich für Sie tun?« Carnie deutete auf einen Stuhl, der vor ihrem Schreibtisch stand.
Kendall setzte sich, und da sie fürchtete, der Mut könnte sie verlassen, sprach sie sehr schnell. »Ich möchte mit Ihnen über eine Adoption sprechen.«
Carnie nickte. »Ich darf über nichts sprechen, was Nicoles Adoptionsanliegen betrifft.«
»Nein, nein. Das verstehe ich. Es geht nicht um Nicole. Es geht um mich.«
Grüne Augen sahen sie direkt an. Warteten.
Kendall befeuchtete ihre trockenen Lippen. »Ich möchte mit Ihnen über …« Die Worte blieben ihr im Hals stecken. Sie setzte sich ein wenig aufrechter hin. »Ich möchte mit
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