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Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Titel: Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annick Cojean
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ich wirklich krank wäre, würden sich die ukrainischen Schwestern um mich kümmern.«
    »Lass mich nur machen! Ich werde mir eine Story überlegen, du musst nur ja sagen.«
    Sie begab sich zu Mabruka, ich weiß nicht, was sie ihr gesagt hat, aber sie kam zurück und erklärte, dass wir grünes Licht hätten. Es war verblüffend. Ein Chauffeur namens Amar erschien, er würde uns aus Bab al-Aziziya hinausfahren. Ich traute meinen Augen nicht. »Was hast du Mabruka bloß erzählt?«
    »Pst! Wir fahren erst zu mir, danach nehme ich dich mit zu jemandem.«
    »Das ist ja Wahnsinn! Wie hast du das angestellt?«
    »Ich heiße nicht umsonst Najah!«
    »Ich habe gar nichts anzuziehen!«
    »Keine Sorge! Klamotten habe ich genug!«
    Wir sind zu ihr gefahren, haben uns umgezogen, und ihre Schwester hat uns mit ihrem Wagen zu einer wunderschönen Villa in Ain Zara gebracht, einem Viertel am Stadtrand von Tripolis. Der Besitzer schien entzückt, uns zu empfangen.
    »Und das ist Soraya, von der ich dir erzählt habe«, sagte Najah. Der Mann sah mich aufmerksam an, und er tat, alswürde er sich sehr für mich interessieren. »Na, erzähl mal! Er behandelt dich schlecht, der Hund?« Ich war sprachlos. Wer war dieser Typ? Welches Vertrauen konnte ich zu ihm haben? Ich hatte eine scheußliche Vorahnung und sagte fast nichts. Dann klingelte Najahs Telefon. Es war Mabruka. Najah rollte mit den Augen und legte das Handy wieder hin. »Du nimmst nicht ab?« Sie antwortete nicht und hielt nur ihr Glas hin, in das der Typ reichlich Whisky goss. Ich dachte, ich spinne. In diesem Land, wo die Religion wie auch das Gesetz den Genuss von Alkohol verboten, erlaubten Leute sich, ihn so schamlos zu trinken? Und kritisierten Gaddafi, der selber ständig welchen konsumierte? Übrigens gab der Mann nun auch mir ein Glas, entrüstete sich über meine Weigerung und beharrte: »Also, nun trink schon. Du bist in diesem Hause ein freier Mensch!« Najah und ihre Schwester ließen sich nicht lange bitten. Sie begannen zu tanzen und gaben damit das Signal für die Eröffnung des Abends. Sie tranken, lachten, schlossen die Augen, während sie sich lustvoll wanden. Der Mann betrachtete sie begehrlich. Es kam noch ein weiterer Mann hinzu, er musterte mich und lächelte. Ich begriff, dass ich bald in der Falle saß, wenn ich nichts unternahm, aber Najah war mir von keinerlei Nutzen. Sie betrank sich zielstrebig. Ich gab zu verstehen, dass ich sehr müde sei. Aber es kam für sie eindeutig nicht in Frage zurückzufahren, also wies man mir ein Zimmer zu. Ich blieb auf der Hut. Und schon kurze Zeit später hörte ich Najah mit den Männern in das benachbarte Zimmer kommen, während ihr Telefon ins Leere klingelte.
    Sie haben mich in Ruhe gelassen, aber ich erwachte mit einem Kloß der Angst im Hals. Ich rüttelte Najah wach, sie war vollkommen benebelt, nahezu bewusstlos, und erinnertesich an nichts. Wieder klingelte ihr Telefon. Mabruka schrie: »Der Fahrer sucht euch seit gestern. Ihr werdet was erleben bei eurem Herrn und Gebieter!« Najah geriet in Panik. Sie hatte mich belogen, verraten, mich in eine miese Falle gelockt, um mich Männern als Freiwild vorzuwerfen. Ich war angewidert. Von Gaddafi entführt worden zu sein machte mich nicht automatisch zur Nutte.
    Die Rückkehr war heftig. Mabruka war nicht da, aber Salma befahl uns, zusammen beim Führer zu erscheinen. Er schäumte vor Zorn. Er gab Najah eine Mordsohrfeige und schrie: »Mach, dass du wegkommst, ich will dich nie mehr hier sehen!« Mich warf er aufs Bett und ließ seine ganze Wut an meinem Körper aus. Als er sich abwandte, zischte er: »Alle Frauen sind Huren!« und fügte hinzu: »Auch Aisha war eine verdammte Hure!« Ich glaube, er sprach von seiner Mutter.
    Ein Monat verging, ohne dass er mich anrührte. Zwei neue Mädchen aus Städten im Osten des Landes waren angekommen: Eine aus Al-Baida war dreizehn Jahre alt, die andere aus Darna fünfzehn. Ich sah sie in sein Zimmer hinaufgehen, wunderschön, mit dem unschuldigen und naiven Gesichtsausdruck, den ich vor einem Jahr auch gehabt haben musste. Ich wusste genau, was sie erwartete. Aber ich konnte weder mit ihnen reden noch ihnen das geringste Zeichen geben. »Hast du die Neuen gesehen?«, fragte mich Amal. Sie sind nicht lange geblieben. Er brauchte jeden Tag neue Mädchen. Er probierte sie aus, warf sie dann hinaus oder aber »recycelte« sie, wie es hieß. Damals wusste ich noch nicht, was das bedeutete.
    Die Tage vergingen, die Jahreszeiten,

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