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Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Titel: Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annick Cojean
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Körper, der darum stets fettig war, murmelte unverständliche Formeln und hatte immer sein kleines rotes Handtuch bereitliegen ...
    Und wohin er auch ging, der kleine Trupp der Krankenschwestern war mit von der Partie. Galina, Elena, Claudia ... Streng gekleidet in ihre weiß-blaue Kluft, ungeschminkt, arbeiteten sie in der kleinen Krankenstation von Bab al-Aziziya, aber konnten auf sein Verlangen hin in weniger als fünf Minuten bei ihm sein. Ihre Aufgabe waren nicht nur die obligatorischen Blutentnahmen vor den sexuellen Kontakten des Führers, sondern auch seine persönliche Betreuung und die tägliche Überwachung seines Gesundheitszustandes und seiner Ernährung. Als ich mich einmal besorgt zum Problem der Verhütung äußerte, wurde mir geantwortet, dass Galina dem Führer Spritzen gebe, die ihn unfruchtbar machten. Mehr weiß ich nicht darüber, und ich fand mich auch nie, wie manche anderen Mädchen, vor die Frage einer Abtreibung gestellt. Sie nannten ihn alle »Papa«, auch wenn er mitden meisten von ihnen sexuellen Verkehr hatte. Galina beklagte sich bei mir darüber. Aber gab es eine einzige Frau, die er nicht wenigstens ein Mal hat besitzen wollen?

6
Afrika
    Eines Tages verliebte sich Jalal in mich. Oder sagen wir, er glaubte, in mich verliebt zu sein. Er warf mir eindringliche Blicke zu, lächelte mich an, wenn er mich in der Nähe der Küche traf, machte mir hin und wieder ein Kompliment. Das hat mich verwirrt. Ich hatte solches Verlangen danach, irgendjemandem etwas zu bedeuten. Und ich wusste nicht, dass er schwul war. Er ließ sich von Gaddafi besteigen, aber ich war dermaßen ignorant, dass ich dachte, Analverkehr sei eine zwar schockierende, aber vielleicht doch übliche Praxis unter Männern. Der Führer hatte so viele männliche Partner, selbst unter hohen Dienstgraden der Armee. Ich aber brauchte Zärtlichkeit, und die Vorstellung, dass ein sanftmütiger Mann freundlich zu mir war, hatte etwas Verführerisches für mich. Jalal suchte die Gelegenheiten zu häufigeren Kontakten, streifte im Vorübergehen meine Hand, flüsterte mir zu, dass er mich liebe, ja sogar daran denke, mich zu heiraten. »Hast du nicht bemerkt, dass ich dich seit dem ersten Tag ansehe?« Nein, hatte ich nicht, so vergraben war ich in meine Not und meine Einsamkeit. Ohnehin waren freundschaftliche Bindungen in unserer Sphäre strikt untersagt.
    Doch Jalal war so kühn, zum Führer zu gehen und ihm zu erklären, dass er die Absicht habe, mich zu heiraten. Gaddafi bestellte uns beide zu sich. Er grinste höhnisch.
    »Ihr liebt euch also, ja?«, fragte er mit spöttischer Miene. »Und ihr habt die Dreistigkeit, das mir, eurem Meister, zu sagen! Wie kannst du es wagen, du Schlampe, jemand anderen zu lieben als mich? Und du, mieser Kerl, wie wagst du es auch nur, sie anzusehen?« Jalal wand sich. Wir sahen alle beide zu Boden, betreten wie zwei bei einem Vergehen ertappte achtjährige Kinder. Dann schmiss er uns raus. Jalal, der zur Garde gehörte, hatte zwei Monate lang Hausverbot.
    Mabruka kam in mein Zimmer gestürzt: »Du schamloses Luder! Denkst an Heirat, wo du noch nicht mal drei Jahre hier bist! Du bist wirklich ein Dreckstück!« Auch Amal las mir die Leviten. »Am Ende haben sie ja sogar recht, Herzchen! Du kannst doch nicht diese Schwuchtel lieben! Das ist keiner für dich!« Ihre Worte verstärkten nur meine Neigung. Jalal war nett. Und er war der erste Mann, der mir sagte, dass er mich liebe. Was konnten mir ihre bösen Vorwürfe schon anhaben, sie waren ja eh alle kaputte Typen!
    Einige Monate später wurde verkündet, dass der Führer eine große Tournee durch Afrika machen werde. Zwei Wochen, fünf Länder, eine Menge Staatschefs. Die Sache war offenbar von Bedeutung, ich spürte es an Mabrukas fieberhafter Tätigkeit. Und das ganze Haus reiste mit. Gaddafis »Töchter« in ihrer schönen Uniform sollten ihn als seine Ehrengarde begleiten. Und ich unter ihnen! Um 5 Uhr morgens an jenem 22. Juni 2007 nahm ich Platz in einer riesigen Wagenkolonne, die zum Flughafen von Mitiga fuhr. Kein Warten, keinerlei Formalitäten. Alle Schranken standen weit offen, die Autos fuhren direkt aufs Rollfeld und bis an die Gangway heran. Das halbe Flugzeug war voller Mädchen. Khakifarbene, beigefarbene, blaue Uniformen. Blau trugen die echtenSoldatinnen, die mit der aufrechten Haltung und dem eisigen Blick, die Durchtrainierten. Das zumindest hatte man mir gesagt. Ich ging in Khaki, wie Amal. Falsche Soldatin. Echte Sklavin. In

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