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Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Titel: Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annick Cojean
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das Hotelpersonal las uns jeden Wunsch von den Augen ab. Unsere tagtäglichen Leiden und Demütigungen fanden für einen Moment eine winzige Entschädigung. Sie war eine Illusion. Und von kurzer Dauer. Aber sie war ein Ventil für uns, und später habe ich begriffen, dass solche seltenen Augenblicke manch einen von uns davor bewahrt haben, kaputtzugehen.
    Plötzlich hörte ich es schreien: »Soraya!« Fathia hatte mich gesehen. Außer sich kam sie auf mich zu. »Du hast angeblich deine Regel und gehst ins Schwimmbad?« Ich war derart verlegen, dass mir keine Erwiderung einfiel. Da hat sie mich geohrfeigt. »Lügnerin!« Farida hatte mich verraten. Ich musste auf der Stelle zur Residenz mitkommen. Die Strafe des Meisters, so kündigte man mir an, würde auf der Höhe meiner Gerissenheit sein. Aber während ich in einem kleinen Raum wartete, kam Galina zu mir.
    »Soraya! Wie konntest du dich bei so was erwischen lassen? Papa Muammar rast vor Wut und hat mich beauftragt, die Sache zu überprüfen ... Meine liebe Kleine! Du bringst mich in eine grässliche Lage! Was soll ich ihm bloß sagen?« Nichts. Sie hat nichts gesagt. Vielmehr, sie hat gelogen, um mich zu schützen. Man ließ mich für den Rest des Tages in Ruhe.Tags darauf ging es weiter Richtung Ghana, der letzten Etappe auf dem Weg zum Kongress der Staatsführer der Afrikanischen Union in Accra. Stunden um Stunden auf Autostraßen. Die Reise nahm kein Ende. Am zweiten Abend kam Fathia mich erneut »kontrollieren«. Keine Spur von Regel. Sie sah mich kalt an, sagte kein Wort, informierte jedoch Mabruka, die mir eine schallende Ohrfeige verpasste, bevor sie mich zu Gaddafi schickte. Wozu noch Einzelheiten nennen? Er hat mich geohrfeigt, verprügelt, auf mich gespuckt, mich unflätig beschimpft. Mit geschwollenem Gesicht kam ich wieder heraus, und man schloss mich in ein Zimmer ein, während Galina, das habe ich später erfahren, auf der Stelle nach Libyen zurückgeschickt wurde. »Du würdest gern abhauen, was?«, höhnte Mabruka auf der Türschwelle. »Wohin du auch eines Tages fliehen solltest, Muammar wird dich finden und dich töten.«

7
Hicham
    Die Afrika-Reise hat nicht das Ende meiner Leiden bedeutet, aber das Ende meines vollkommenen Eingesperrtseins. War der Führer meiner überdrüssig? Hatte ich das Verfallsdatum überschritten? Ich weiß es nicht. Es gab ja nie eine Logik in seinem Handeln, oder eine Erklärung. Ich lebte von einem Tag auf den andern, seinem Willen ausgeliefert und in totaler Abhängigkeit von ihm, ohne irgendeine Perspektive. Aber am Tag seiner Rückkehr von der Afrika-Tournee ließ er mich durch Mabruka rufen, und mit angewidertem Gesicht warf er mir zu: »Ich will dich nicht mehr, Schlampe! Ich werdedich in die Revolutionären Garden eingliedern. Du wirst bei ihnen wohnen. Los! Hau ab!«
    Daraufhin gab Mabruka mir ein Mobiltelefon: »Falls du deine Mutter mal anrufen willst ...« Wie überraschend das kam! Ich habe Mama sofort angerufen. Sie hatte mich im Fernsehen gesehen, in Uniform hinter Gaddafi im Stadion von Conakry, und sie schien beinahe glücklich, mir das zu sagen. »Wie gern ich dich sehen würde, mein Liebes. Du fehlst mir so sehr!« Da habe ich mir ein Herz gefasst, gegenüber Mabruka eine weitere Bitte zu äußern, und wider Erwarten sagte sie zu, dass Mama mich am übernächsten Tag besuchen könnte. Ja, in Bab al-Aziziya.
    Mir meine Mutter hier in diesem Universum vorzustellen hatte natürlich etwas Erschreckendes. Aber ich brauchte sie so sehr. Also erklärte ich ihr, wie sie zur Garage käme, von wo aus jemand sie zur Residenz des Führers begleiten würde. Und ich hoffte, alle würden freundlich zu ihr sein. Wie naiv ich doch sein konnte! Mabruka, Salma, Fathia benahmen sich widerwärtig und verächtlich. »Sie wollen Ihre Tochter sprechen? Das ist unten!« Amal hatte sie zum Glück umarmt und mir Bescheid gegeben, ich bin ihr in die Arme gerannt und habe nur noch geweint. Ich konnte gar nicht sprechen. Was sollte ich ihr erzählen? Womit beginnen? Dieses Kellergeschoss sprach ja für sich. Und mein Schluchzen muss wohl unerträglich gewesen sein, Mabruka mokierte sich darüber, was Mama sehr verletzte. Schließlich hat man uns wieder getrennt.
    Ein paar Tage später tauchte Galina bei mir auf, leichenblass. Der Führer wollte uns beide sprechen, er verlangte noch einmal Erklärungen über den Vorfall während der Afrika-Reise. Ich war sprachlos, dass er nichts Wichtigeres zu tun hatte.
    »Warum hast du mich

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