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Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)

Titel: Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annick Cojean
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Töchter geworfen hat. Ungläubig und schockiert, vertraut diese sich dem Führer an, der vor Zorn tobt: Libya hat die Omertà, das Gesetz des Schweigens, gebrochen – das kann sie das Leben kosten. Sie flieht. Nimmt ein Militärflugzeug nach Tubruq, von dort ein Auto RichtungÄgypten, wo sie mangels Visum verhaftet wird. Libyschen Oppositionellen gelingt es, sie in den Irak zu schleusen, wo sie zwei Wochen bleibt, aber aus Angst vor der Baath-Partei alsbald weiter nach Griechenland flieht. Gaddafis Geheimdienst macht sie dort ausfindig, und bei ihrer Rückkehr nach Libyen wird sie für eineinhalb Jahre in ein Gefängnis im Keller eines Bauernhofs gesteckt, bevor sie ... nach Bab al-Aziziya zurückkehrt, wo sie bis zum Beginn der Revolution 2011 lebt.
    »Eine alte Sklavin unter jüngeren«, sagt sie. Nun endgültig in der Falle.
Hadija
    Hadija ist eine desillusionierte, schwermütige junge Frau, und da sie schon mehrfach bedroht und überfallen wurde, weiß sie, dass sie aufgrund ihrer Erfahrungen und ihres Wissens über das Gaddafi-System heute in großer Gefahr lebt. Das erste Mal, als ich sie sah, an einem frühen Morgen im Januar 2012, war ihr weißer Trainingsanzug mit Blut befleckt. Unbekannte hatten sie zur Warnung in der Nacht entführt und vergewaltigt. Sie hat hübsche volle Lippen, eine etwas vorspringende Nase, rauchte an diesem Tag eine Zigarette nach der anderen, knabberte an den Fingernägeln und sprach mit einer gewissen Ungerührtheit, ja fast mit Zynismus. Mit ihren siebenundzwanzig Jahren erklärte sie, dass sie sich keine Illusionen über ihre Zukunft im neuen Libyen mache. Sie versuche nur noch zu überleben, irgendwo in Tripolis. Ihr Schicksal sei an dem Tag aus dem Gleis geraten, als sie Gaddafi begegnete. Auch sein Tod bedeute für sie keine Hoffnung auf Erlösung.Das neue Jahrtausend hat begonnen, sie studiert im zweiten Semester Jura an der Universität in Tripolis, als sie nach einer Auseinandersetzung mit einer Verwaltungsdirektorin eiskalt der Universität verwiesen wird. Bestürzt, und weil sie nichts anderes zu tun hat, geht sie zum Friseur, und in der vertraulichen Atmosphäre des Salons erzählt sie von ihrem Fiasko. Eine Kundin hört ihr aufmerksam und voller Anteilnahme zu. »Was dir da passiert ist, ist wirklich ungerecht. Aber ich weiß jemanden, der das wieder arrangieren kann: der Führer. Ich kann dich ihm vorstellen, wenn du willst, und er wird dein Problem lösen!« Hadija ist verblüfft. Das wäre möglich? Es stimmt ja, der Herrscher Libyens hat alle Macht ... Die Frau fährt sie gleich nach Bab al-Aziziya, wo ein Mann, Saad al-Falah, sie sofort zu einer Blutentnahme schickt, die von »einer Krankenschwester aus einem Land Osteuropas« vorgenommen wird, und ihr sagt, sie möge am nächsten Tag wiederkommen. »Ich fand das sehr seltsam, habe mir aber gesagt, dass man bei einem Staatsoberhaupt vielleicht nicht vorsichtig genug sein kann.« Am darauffolgenden Tag bringt Braka, eine Leibwächterin in Uniform, sie direkt zum Zimmer des Führers. Mehrere Leute drängen sich um ihn und zeigen ihm Fotos von den Festlichkeiten des Nationalfeiertags. Doch kaum sind sie gegangen, macht er heftige Annäherungsversuche ihr gegenüber – die sie zurückweist – und vergewaltigt sie ohne ein Wort.
    Als sie unter Schock aus dem Zimmer kommt, zeigt Saad al-Falah keinerlei Überraschung, hat keine wohlwollende Geste für sie. Er reicht ihr einen Umschlag mit 1000 Dinar und sagt: »Du hast Glück, dass du auserwählt worden bist. Wir haben die Absicht, dich für uns arbeiten zu lassen.« Sie will nichts weiter darüber wissen, sie will nur weg von Babal-Aziziya. Sie verlässt sogar Tripolis und geht zu ihrer Schwester in den Süden des Landes, verzichtet auf ihre Hoffnung, an die Universität zurückzukehren, und ist nur darauf bedacht, dass niemand sie bei ihren Eltern findet. Aber die Familie wird bald schwer geprüft. Hadijas Bruder, der in Malta studiert, wird bei seiner Rückkehr nach Libyen wegen Besitzes von Rauschmitteln verhaftet. Man hat Drogen in sein Gepäck geschmuggelt, er riskiert die Todesstrafe. Die Frau, die Hadija beim Friseur getroffen hatte, ruft sie an: »Du musst zu Muammar gehen, er allein kann das Leben deines Bruders retten.«
    Hadija begreift, dass es sich um Erpressung handelt. Aber sie weiß auch, dass es dem Regime auf ein Menschenleben nicht ankommt. Sie kehrt nach Tripolis zurück und willigt ein, Saad al-Falah zu treffen. »Wir können das Todesurteil für

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