Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)
wird seine Geheimnisse für immer bewahren. Und es gibt, so scheint es, noch andere häufig vom Führer aufgesuchte Orte, wo man ihm Bettnischen hergerichtet hatte. Er brauchte immernoch mehr Sexualpartner, Männer wie Frauen, mit Vorliebe blutjunge Jungfrauen. Er wollte mindestens vier pro Tag, versicherte mir Hadija, die vergewaltigte Studentin, die mehrere Jahre in Bab al-Aziziya zugebracht hat, dazu gezwungen, Männer des Regimes in die Falle zu locken. Vier, bestätigte gegenüber der britischen Presse auch Faisal, ein gutaussehender junger Mann, den der Führer ebenfalls in der Universität ausgemacht und gezwungen hatte, sein Jurastudium an den Nagel zu hängen, um auf der Stelle in seinen persönlichen Dienst einzutreten. »Sie gingen in sein Zimmer, er erledigte seine Sache, und er kam heraus, als hätte er sich nur mal eben die Nase geputzt.« Der junge Mann, heute dreißig, betonte die Gewalt, mit der Gaddafi, exzessiver Viagra-Konsument, vorging, und meinte, dass viele Frauen sich »von seinem Zimmer direkt ins Krankenhaus« begeben hätten, weil sie an inneren Verletzungen litten. Das bezeugt auch Soraya. Und später sollten es noch weitere meiner Gesprächspartner bestätigen. Gaddafi war nicht nur unersättlich, sondern darüber hinaus sadistisch und außerordentlich brutal.
Die Schulen und Universitäten stellten für ihn einen natürlichen Pool dar, der sich ständig regenerierte. In der Universität von Bengasi hatte der Oberst übrigens auch Huda Ben Amer entdeckt, die Mutter von Hana, seiner angeblichen »Adoptivtochter«, die in Wahrheit seine leibliche Tochter ist. Huda stammte aus Bengasi und hatte es zu nationaler Berühmtheit gebracht, als sie während der öffentlichen Hinrichtung eines pazifistischen Oppositionellen plötzlich sehr erregt die Zuschauerränge verließ, um den jungen Mann, der am Galgen hing, mit aller Kraft an den Beinen zu ziehen und so seinen Tod zu beschleunigen. Aber sie war Gaddafi schon sehr viel früher aufgefallen. 1976 hatte sie bereits lauthals ihreVerbundenheit mit dem Regime verkündet und sich gegen die Studentendemonstrationen im April gestellt, sie unterstützte die Repression, denunzierte und beteiligte sich an der Jagd auf Oppositionelle und leitete, an der Spitze der Revolutionskomitees, Kampagnen zur »Säuberung«.
»Ich habe nie zuvor ein Mädchen erlebt, das von so viel Gehässigkeit und Ehrgeiz getrieben gewesen wäre, von einer solchen Schamlosigkeit«, erinnert sich einer ihrer Kommilitonen. »Huda ergriff das Wort mit großer Schärfe, nahm bis spät in der Nacht an Versammlungen teil und verbreitete die Botschaft Gaddafis, dass Dissidenten weitere Exekutionen drohten.« Gefördert vom Oberst, dessen Sprachrohr sie war, dehnte sich ihre Macht nach den Erhängungen 1977 immer weiter aus, sie übernahm gewissermaßen die Kontrolle über ihre Universität, räumte Professoren und Studenten aus dem Weg, die ihr zu weit entfernt von der harten Linie des Regimes erschienen. Dann war sie für eine Weile aus Bengasi verschwunden, lebte im Umfeld des Führers und wurde in seine Leibgarde aufgenommen, bevor sie einflussreicher denn je wieder auf der Bildfläche erschien, nun untrennbar mit Gaddafi verbunden, der sie schließlich verheiratete (und ihr Trauzeuge war) und in wichtige Ämter berief: So wurde sie Bürgermeisterin von Bengasi, Präsidentin des arabischen Parlaments, Vorsitzende des Rechnungshofs, Ministerin ... Huda avancierte zu einer der reichsten Frauen Libyens, gehasst von der Bevölkerung, und sitzt heute in einem Gefängnis in Tripolis. Ihr Haus in Bengasi wurde gleich zu Beginn der Aufstände von Rebellen in Brand gesteckt. Gegenüber ihren Aufsehern gab sie an, dass man sie gezwungen habe, Hana wegzugeben; die Kleine war – wenn ich der Fotokopie eines 2007 ausgestellten Passes glauben darf, die ich selbst in derHand hatte – am 11. November 1985 geboren worden und aus Hudas Liaison mit Gaddafi hervorgegangen. Safia, Gaddafis offizielle Ehefrau, holte Hana eines Tages aus dem Waisenhaus ab und adoptierte sie.
Jeder Ort, an dem sich Frauen aufhielten, kam als Versorgungsquelle für den Führer in Frage, einschließlich der Gefängnisse, wo man eine seiner Leibwächterinnen dabei beobachtet hat, wie sie hübsche Insassinnen ablichtete. Frisier- und Kosmetiksalons gehörten zu den beliebtesten Jagdrevieren und wurden von den Treiberinnen eifrig besucht. Auch Hochzeitsfeiern waren hochgeschätzt. Gaddafi liebte es, Festivitäten zu
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