Niemand hört mein Schreien: Gefangen im Palast Gaddafis (German Edition)
»Puffmutter, wie man sie sich schlimmer nicht denken kann« gewesen. Und niemand zweifelte daran, dass sie zeitweise die Geliebte des Tyrannen war. Um davon Kenntnis zu haben,musste man allerdings zum Vertrautenkreis des Führers gehören. Denn außerhalb der Mauern von Bab al-Aziziya tat Mabruka sehr vornehm, gab sich als eine der engsten Beraterinnen des »Bruder Oberst« und nutzte die Diplomaten nach Strich und Faden aus.
Es hat ein wenig gedauert, bis ich sie auf ein paar Agenturfotos ausfindig machte. Sie hielt sich stets im Schatten des Führers, wenn er den Fuß auf den roten Teppich setzte, der bei seiner Ankunft im Ausland vor ihm ausgerollt wurde. Sie überließ den Platz in der ersten Reihe den stattlichen Amazonen, überwachte aus dem Hintergrund unter ihrem keuschen schwarzen Schleier jedoch die Szene mit Adleraugen. Streng zurückgekämmtes braunes Haar, Allerweltsgesicht, kein Hauch von Schminke, strenger Mund – sie sah farblos und langweilig aus. Ein europäischer Botschafter behauptete allerdings, dass sie so nicht gewesen sei: Schlecht gekleidet, »geschmacklos«, ja. Ohne erkennbares Anzeichen von Eitelkeit oder Luxus und »niemals darauf aus, zu verführen«. Aber »sie muss einmal schön gewesen sein«, und etwas davon habe sie auch noch. Er schätzte sie auf etwa fünfzig Jahre.
Viele Staatsoberhäupter, Minister und Diplomaten sind ihr bei Staatsbesuchen, afrikanischen Gipfeltreffen, internationalen Konferenzen begegnet. Europäer und Franzosen – allen voran Cécilia Sarkozy – waren mit ihr während der langen Verhandlungen über die Befreiung der bulgarischen Krankenschwestern in Kontakt gekommen, die zu Unrecht von den Libyern beschuldigt wurden, Kinder mit dem Aids-Virus infiziert zu haben. Sie wurde als Protokollchefin vorgestellt, aber alle wussten um ihre Nähe zu Gaddafi, ja sogar um ihre Vertrautheit mit ihm. Er hörte ganz offenkundig auf sie, daher diente sie den Verhandlungspartnern als Überbringerinvon Botschaften. Davon abgesehen tat sie alles, um zu demonstrieren, dass ihre Macht über den Bereich des Protokolls hinausging, dass »sie die Vertrauensperson des Führers« war, dass sie Einfluss darauf hatte, wer zum Botschafter oder auf einen anderen Posten berufen wurde, dass ihre Rolle zunehmend eine politische war. Es kam vor, dass sie den diplomatischen Stab im Élysée anrief, um über die französische Politik in Mali oder Niger aufgeklärt zu werden. Man ging davon aus, dass sie ihren Einfluss ebenfalls im Konflikt mit den Tuareg geltend machte, da sie deren Anführer nicht nur in Libyen, sondern auch in einigen Nachbarländern wie Algerien, Mali, Niger und Mauretanien kannte. Unnötig also zu erwähnen, dass man sie äußerst zuvorkommend behandelte, selbst wenn es in einem Vermerk des französischen Geheimdienstes, der sie während ihrer Aufenthalte in Paris im Visier hatte, heißt, sie sei eine »Treiberin«, und ein Botschafter mich kühl wissen ließ: »Sie kam, um Shopping zu machen.« Shopping? »Sie sammelte Mädchen, die sie dem Führer schicken konnte.«
Ja, so war es wohl. Sie stieg in einem Luxushotel im Champs-Élysées-Viertel ab – in einer Suite im Fouquet’s – und aktivierte ihre Kontakte mit einer unglaublichen Unverfrorenheit. Hatte sie Caroline Sarkozy, Halbschwester des Präsidenten und Autorin eines Buches über Innenausstattung, bei einem Empfang kennengelernt, kreuzte sie kurz darauf in deren Büro auf, ohne Termin, jedoch mit Dolmetscher und dem Chauffeur der Libyschen Botschaft, und bat um eine Widmung des Buches für ihren Herrn: »Für unseren Bruder Führer. Ich hoffe, dass Ihnen dieses Buch über die schönen Häuser in Paris Freude macht.« Im August 2011 stießen die Rebellen auf dieses Exemplar, als sie in Tripolis dieLuxusvilla von Aisha stürmten, der erstgeborenen Tochter Gaddafis. Natürlich hatte Mabruka die hübsche Französin in die libysche Hauptstadt locken wollen. Wenn sie erfuhr, dass die Prinzessin irgendeines arabischen Königshauses – Saudi-Arabiens, Kuwaits – in Paris weilte, stattete sie ihr umgehend einen Besuch im Hotel Ritz oder im Four Seasons ab. War sie in irgendeinem Zusammenhang Rachida Dati begegnet, der französischen Justizministerin maghrebinischer Herkunft, bat sie sie um ein Treffen im Fouquet’s.
Mabruka hatte eine Liste von Ministerinnen und einflussreichen Frauen erstellt, ganz oben standen die mit muslimischem Hintergrund, und diese Liste klapperte sie ab. Zwischendurch rief sie Salma
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