Niemand ist eine Insel (German Edition)
an.
»Sie verachten mich, ja?« fragte ich.
»Verachten? Wieso? Das müssen Sie doch jetzt alles so tun, wie Sie es tun, Herr Norton. Sie haben keine Wahl«, sagte Ruth. »Ich hoffe, es klappt.«
»Ich auch.«
»Aber woher bekommen Sie soviel Geld – so schnell?«
»Ich muß noch einmal telefonieren«, sagte ich.
Ich rief Rod Bracken in der Klinik des Professors Delamare an. Sagte ihm, was ich brauchte. Er saß in Sylvias Zimmer. Sie schlafe, sagte er.
»Dann weck sie! Ihr Scheckbuch liegt in dem kleinen Wandsafe, in dem der Schmuck liegt. Sie soll einen Scheck ausschreiben. Sag ihr, wozu!«
»Über wieviel?«
Ich sagte ihm, über wieviel.
Er pfiff. Er sagte: »Das wird ein Theater werden.«
Danach hörte ich bestimmt drei Minuten nichts, der Strom rauschte in der offenen Verbindung. Ich malte mir aus, was Rod jetzt mitmachte. Ich sah auf das Papier, das unter Glas in einem Rahmen auf Ruths Schreibtisch stand, ich las die Worte Buddhas immer wieder.
… ÜBERWINDE DEN ZORN DURCH HERZLICHKEIT …
Sehr passend.
»Ich hoffe, Herr Bracken bekommt nun den Scheck«, sagte Ruth.
»Das hoffe ich auch«, sagte ich und lachte. Aber aus Verzweiflung.
»Sie tun mir leid, Herr Norton«, sagte Ruth plötzlich.
»Was?«
»Sie tun mir leid, habe ich gesagt.«
»Hab’s gehört. Ich – Ihnen?«
»Ja, Herr Norton. Das ist kein schönes Leben, das Sie führen.«
»Na ja«, sagte ich. »Wenn Sie meinen«, sagte ich. »Sicherlich haben Sie recht«, sagte ich. »Gibt schönere Leben.« Ich sah zu den kleinen Rollstühlen. »Aber auch schlimmere«, sagte ich.
»Wer weiß?« sagte Ruth.
»Phil?«
Da war Bracken wieder.
»Ja!«
»Junge, das war vielleicht ein Ding. Wenn ich jetzt nicht gleich einen Whisky kriege, trifft mich der Schlag. Zuerst Sylvia aufwecken. Dann ihr alles erklären. Dann ihr sagen, daß wir einen Scheck brauchen. Als ich sagte, über welchen Betrag, ist sie fast verrückt geworden.«
»Hört sie dir zu?«
»Die pennt schon wieder. Junge, ich bin nicht mehr gesund genug für so was. Ich …«
»Ja, ja«, sagte ich. »Hast du den Scheck?«
»Ja.«
»Hat sie ihn auch richtig ausgeschrieben?«
»Nein.«
Ich ließ das Lämmchen fallen.
»Nein?«
»Sie hat gerade noch ihre Unterschrift geschafft – Schwäche und Wut und Benommenheit –, und oben rechts hat sie die Zahl hingekriegt. Die Summe in Worten ausschreiben mußt du. Dazu war sie nicht mehr fähig. Fähig war sie nur noch, genau aufzupassen, daß ich das Scheckbuch wieder in den Safe legte und absperrte …«
»… und ihr den Schlüssel umhängtest«, sagte ich.
»Nein. Da hat sie geläutet und den Schlüssel einem Nachtarzt gegeben. Junge, keine Frau in deinem Leben hat dich so geliebt. Meinen Glückwunsch. Und keine Frau in deinem Leben hat so viel Vertrauen zu dir gehabt.«
»Fahr den Lieferwagen in eine andere Straße, zieh den Overall aus und komm so schnell du kannst zu mir ins Hospital. Taxi. Warte vor dem Hospital. Bring meinen Mantel und meinen Hut mit.«
»Okay, Phil.«
»Moment, noch etwas!«
»Noch etwas – Himmel! Was?«
»Sylvias Jet ist doch in Madrid?«
»Klar. Mit dem seid ihr doch nach Madrid geflogen, Babs und du. Die Crew habe ich mit der leeren Maschine runtergeschickt und dem Captain gesagt, er hört von mir.«
»Dann weißt du also, wo die Crew wohnt, in welchem Hotel?«
»Klar.«
»Ruf an. Sage ihnen, sie sollen sofort losfliegen. Rom. Wie immer Leonardo-da-Vinci-Flughafen. Position fünfundvierzig. Schön abseits. So schnell wie möglich. Ich will mit der SUPER-ONE-ELEVEN nach Paris zurückkommen, das sieht auf alle Fälle besser aus.«
»Hast du recht«, sagte Bracken. »Kann immer was passieren. Man weiß nie. Dann siehst du mit der SUPER-ONE-ELEVEN besser aus. Ich telefoniere sofort mit Madrid. Vorher aber noch mit Cossa in Rom. Ciao, Liebling.« Ich legte den Hörer nieder und nahm wieder das Lämmchen.
»Wir müssen zu Notti, einen Apparat einstöpseln«, sagte Ruth, als sei sie meine Mitverschworene. »Der Anruf aus Rom kann jeden Moment kommen.«
»Sie haben recht!«
Wir standen gleichzeitig auf.
Dabei kamen wir einander durch Zufall so nahe, daß unsere Gesichter sich fast berührten. Ich hatte plötzlich das irrsinnige Verlangen, Ruth zu küssen, aber natürlich wagte ich das nicht, sondern trat zurück.
»Sie haben Marone einen Satz gesagt, den kann ich nicht vergessen«, sagte Ruth.
»Was habe ich gesagt?«
Ruth antwortete: »Sie haben gesagt: ›Ich bin nur auf der
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