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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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und wir mußten die ganze Zeit angeschnallt bleiben. Die Boeing sackte durch und trudelte und rüttelte, daß ich meinte, jedes ihrer Triebwerke einzeln zu hören, und viele Menschen glaubten, wir würden abstürzen, und waren sehr hysterisch. Aber schließlich kamen wir doch heil an. Schon auf dem Rollfeld stand Marones silberner Bentley.

19
    H at keinen Sinn, daß ich Ihnen Marones Schloß auf dem feinsten aller feinen Hügel Roms, dem Pincio, im Detail beschreibe, mein Herr Richter. Nähme viel zuviel Platz weg. Vielleicht haben sie den Film CITIZEN KANE von und mit Orson Welles gesehen, diesen weltberühmten Film, den Orson als Schlüsselgeschichte über den Zeitungskönig und Milliardär Hearst geschrieben hat (Orson selber spielte die Hauptrolle).
    In jenem Film hatte sich der Zeitungskönig einen Palast in Florida bauen lassen. Der Palast heißt ›Xanadu‹, und ›Xanadu‹ hieß auch der Palast, den sich der Mongolenfürst Kublai-Khan, Enkel von Dschingis-Khan, Begründer der Jüan-Dynastie in China (1279 war das, um voller Dankbarkeit wieder einmal der Nachschlagewerke unserer vorzüglichen Gefängnisbücherei zu gedenken!) hatte errichten lassen.
    Der Palast des Kublai-Khan war ein Dreck gegen den Palast, den Orson Welles für den Film und für seinen Zeitungszaren bauen ließ. Es war, so heißt es im Drehbuch des Films – Orson hat mir ein Exemplar geschenkt, ich habe den Film, dieses Meisterwerk, neunmal gesehen, und das Script kenne ich fast auswendig –, ›der Welt größter privater Sommersitz‹.
    So toll war es bei Marone natürlich nicht, bei weitem nicht, aber immer, wenn ich hierher auf den Pincio gekommen war, hatte ich an Orsons CITIZEN KANE denken müssen.
    Allein fünf Minuten fuhren wir durch den Park. Dann endlich hielt der Wagen vor dem Gebäude mit der weißen Marmorfassade, die vor wilden Ornamenten geradezu strotzte. Es dauerte noch weitere fünf Minuten Wegs durch Salons und Bibliotheken und Zimmer voller Bilder, bis wir endlich Marones Arbeitszimmer betraten – weiß der Marmor, dunkelrot der Stoff aller Möbel, golden die edlen Hölzer. Riesenspiegel. Eine griechische Statue, irgendein nackter Kerl, dem ein Arm fehlte, Diskuswerfer. Antik alle Möbel natürlich. Dieser Marone hatte sich weiß Gott gesundgestoßen mit dem Verleih von Sylvia Morans Filmen!
    Ich mußte dem kleinen Angelo Notti einen Stoß in den Rücken geben, damit er in den Raum ging, denn er war wie gelähmt stehengeblieben und stierte einen wandfüllenden Gobelin an, der gewiß seine dreihundert Jahre alt war. Na ja, Notti torkelte also vorwärts und direkt hinein in die Arme eines Mannes, der sich aus einem tiefen Lehnstuhl erhoben hatte. Dieser Mann, auf den Notti durch meinen Stoß zusegelte, packte ihn an der Krawatte (Dr. Sigrands Krawatte!), schüttelte ihn so stark, daß der arme Notti nur so hin und her flog, schlug ihm in den Bauch, und da war mir klar, wer der Herr war, sein mußte: Pietro Cossa, Chef der großen römischen Bildagentur.
    Carlo Marone saß in einem Renaissancestuhl, blies eine Zigarrenrauchwolke von sich und sah mit halbgeschlossenen Augen zu, wie Cossa den kleinen Notti verdrosch, immer rein in den Bauch und tiefer, überallhin, nur das Gesicht ließ er in Ruhe. Zum zweiten Mal in dieser Nacht bezog der nun schon Prügel, der arme Teufel. Und jetzt auch noch mit einem Krückstock. Zu der Prügelei schrie Cossa andauernd auf seinen Fotografen ein. Ich verstehe gut Italienisch, aber vieles von dem, was Cossa da schrie, verstand ich nicht. Ich bin sicher, Marone verstand es. Das war Fürsten-Italienisch.
    Ich hörte ein Keuchen und sah mich um und entdeckte, hingestreckt auf ein Lager in Rot und Gold, ein Mädchen. Dieses Mädchen hatte blondes Haar, einen mächtigen Busen, lange Beine, einen sehr schönen, lasziv sich räkelnden Körper und nur einen BH und ein Höschen an. Beides schwarz. Dieses Mädchen schaute gebannt der Prügelei zu.
    »O Gott«, sagte sie. »O Gott, das ist ja furchtbar …« Aber sie genoß die Szene, die ihr da geboten wurde. Übrigens: Wenn sie so etwas in der Wohnung eines reichen Römers finden, mein Herr Richter, können Sie sicher sein, Sie haben eine Deutsche vor sich. Ich denke, Marone hatte sie eigens da liegen lassen, damit sie noch was Hübsches zu sehen bekam. Im übrigen war dieses Mädchen high, aber wie. Andauernd schniefte sie. Ihre Nasenschleimhäute waren ausgetrocknet. Kokain, dachte ich. Den habe ich in einer fröhlichen Nacht gestört,

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