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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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zehn.

18
    D as wurde vielleicht eine Nacht, mein Herr Richter.
    Ruth und Dr. Sigrand und der dritte Arzt hatten Hasenscharte so hergerichtet, daß er sich wenigstens in der Nacht zeigen konnte. Er trug drei große Pflaster im Gesicht, und sie hatten seinen Mantel gesäubert und seine Schuhe und seinen Hut. Weil so viel Blut aus Nottis Nase auf die Krawatte und das Hemd getropft war, hatte Dr. Sigrand (Dr. Sigrand!) ihm ein Hemd und eine Krawatte gegeben, die ihm gehörten – Ärzte haben in ihren Klinik-Zimmern immer ein wenig Wäsche und Pyjamas und einen zweiten Anzug und so weiter. Natürlich war das Hemd Notti viel zu groß, in den Kragen konnte man zwei Finger stecken, und die Krawatte hing ihm bis zum Bauch. Ich hatte Suzy angerufen und ihr kurz erklärt, was passiert war und daß ich nach Rom mußte. Suzy hatte geweint.
    »Morgen bin ich ja wieder da, mon petit chou.«
    »Es kann soviel passieren bis morgen«, hatte Suzy gesagt. »Ich werde keine Minute schlafen heute nacht, das weiß ich. Hast du alles? Bist du auch warm genug angezogen? Dein Paß … und Geld … Ich komme zum Flughafen, ich bringe dir alles Geld, das ich im Hause habe …«
    »Nein, mon petit chou, ich habe alles«, hatte ich gesagt.
    Ich hatte wirklich alles. Was ich brauchte und noch nicht hatte, wartete vor dem Krankenhauseingang auf mich – Bracken brachte es. Ich ging, während sie Hasenscharte nun noch ein bißchen puderten an den ärgsten Stellen, von Ruth geleitet, in den Keller des Hospitals hinunter, zu der großen Ölfeuerung, und dort vernichtete ich Nottis Film, und in so einem großen Behälter, der den Müll auffing, alles, was da so runterkam, vernichtete ich Nottis Kamera. In dem Behälter drehte sich eine Stahlspirale, die zerkleinerte einfach alles, Kisten, Papier, blutige Tücher, Metall – auch die Kamera. Ich sah zu, wie sie zerkleinert wurde. Dann ging ich wieder nach oben und vor das Hospital, und da stand ein Taxi, und ich stieg ein und nickte Bracken zu, zog den Overall aus und meinen Mantel an und nahm meinen Hut. Der Chauffeur sah starr nach vorn und summte ›La vie en rose‹. Meinen Paß hatte ich dabei, wie immer. Bracken gab mir den nur teilweise ausgefüllten Scheck.
    »Liebe«, sagte Bracken.
    Er nahm meinen Overall und stieg aus und sagte, so daß der Chauffeur es nicht hören konnte, er werde nun in einem anderen Taxi ins LE MONDE zurückfahren und die ganze Nacht wachen, falls ich anrief und etwas brauchte oder falls etwas schiefging. Er sagte, er habe aus der Klinik Delamare zwei Tickets erster Klasse für diesen BEA-Flug nach Rom, ab Orly Mitternacht, gebucht – auf meinen und auf Nottis Namen. Es ging nicht anders, bei der Kontrolle sahen sie sich doch die Pässe an, nicht wahr? Die Maschine sei ganz voll, sagte Bracken, das seien die letzten beiden Plätze gewesen. Schwein muß man haben.
    Ich ging zurück in das Hospital und holte mir Notti. Bracken war schon verschwunden. Der Nachtpförtner hatte ihm ein Taxi gerufen, sagte mein Chauffeur. Ich stieß Notti in dieses Taxi und folgte ihm. Als wir losfuhren, sah ich mich noch einmal um, weil ich winken wollte, aber da waren Ruth und Sigrand bereits wieder ins Haus gegangen. Ich sagte dem Chauffeur, er solle loslegen, wir müßten in Orly eine Maschine erreichen. Er wollte nicht und sagte, wenn uns die Flics anhielten oder er in eine Radarfalle käme, sei er den Führerschein los, und so gab ich ihm zweihundert Francs Trinkgeld, und dann hatte ich das Gefühl, schon jetzt zu fliegen.
    Na, wir schafften es – acht Minuten vor Abflug der BEA aus London waren wir da und hetzten durch die Paß- und Zollkontrollen, und ein Wagen der BEA brachte uns zu der Maschine, und los ging’s.
    Natürlich sahen ein paar Leute uns neugierig an, aber die meisten waren zu müde oder schliefen, und in der Ersten Klasse setzte ich Notti ans Fenster und deckte ihm mit dem Vorhang das Gesicht zu. Ich bat eine Stewardeß, uns etwas zu trinken zu bringen, und damit sie nicht so viel laufen mußte, bestellte ich gleich eine ganze Flasche Whisky und Eis und Soda. Sie brachte alles, und ich machte Notti einen Drink, und er trank ihn auch tatsächlich und hielt mir das Glas noch einmal hin, und ich gab ihm einen zweiten Drink, und danach sagte er nicht etwa danke, sondern bloß, wie sehr er mich hasse.
    Es war gut, daß ich die Flasche bestellt hatte. Wir brauchten sie dann später, denn es wurde ein grausiger Flug, wir kamen von einer Sturmfront in die andere,

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