Niemand ist eine Insel (German Edition)
Heilanstalten. Und aus diesen Heilanstalten brach er dann immer wieder aus.«
»Wo?«
»In Kalifornien. Marne stammt aus Los Angeles. Alles, was er angestellt hat – mit Ausnahme einer Sache in Bonn –, ist im Raum Los Angeles passiert. Im Großraum Los Angeles, also Beverly Hills und Hollywood und so weiter. Nur die Heilanstalten waren weiter von Los Angeles entfernt. Das letzte Mal ist er vor dreieinhalb Jahren ausgebrochen und ist nach Europa gekommen. Sicherlich hatte er falsche Papiere.« Wie ich, dachte ich. »Was er alles in Europa angestellt hat, wissen wir nicht – die Amerikaner erst recht nicht. Nur die Sache in Bonn.«
»Was war da?«
»Keine Ahnung. Haben sie mir nicht gesagt. Irgendeine Homo-Erpressung. Müssen hohe Tiere drinhängen, denn das Ganze ist bis heute vertuscht worden, und Marne ist auch da durchgerutscht. Die Amerikaner versuchen jetzt herauszukriegen, wo er sich danach herumgetrieben hat. Aber sie wollen die Sache so geheim wie möglich halten – eben wegen der Bonn-Geschichte. Dann werden sie sich um seine Ausweisung bemühen, und drüben kommt er wieder in eine Heilanstalt. Den Amis wäre es gar nicht recht, wenn Sie Anzeige erstatten würden – wegen Bonn, denn das käme dann ja auch heraus, falls hier in Deutschland verhandelt wird, und …«
»Ich kann doch gar keine Anzeige erstatten«, sagte ich. »Ich muß froh sein, wenn die Amis Marne einbuchten – richtig einbuchten.«
»Ja, eben«, sagte Sondersen. »Die Filme-stehen jedenfalls zu Ihrer Verfügung. Es ist für Sie natürlich von größter Bedeutung herauszufinden, wie Marne auf Ihre Spur gekommen ist – oder wer ihn auf Ihre Spur gelenkt hat, klar.«
»Klar.«
»Na, von Marne werden wir es nicht erfahren«, sagte Sondersen. »Ich hab’s versucht. Der sagt kein Wort. Angst.«
»Was?«
»Der hat Angst, etwas zu sagen. Maßlose Angst.«
»Vor wem?« fragte ich.
»Ja«, sagte Sondersen, »vor wem?«
47
G ottverflucht, was fällt dir ein, mich jetzt aufzuwecken, Mensch? Es ist zwanzig nach fünf!« Rod Brackens Stimme überschlug sich vor Wut.
Ich saß auf meinem Bett, im Morgenmantel. Im Glas der Balkontür, vor der noch die Dunkelheit der Nacht lag, sah ich, erhellt von der Nachttischlampe, mich und einen Teil der Zimmereinrichtung gespiegelt. Der Regen wurde immer heftiger.
»Shut up, Rod«, sagte ich. »Es ist wichtig, sonst würde ich nicht anrufen.«
»Ist Babs tot?«
»Nein.«
»Was dann?«
Also erzählte ich Bracken, was dann. Er hörte schweigend zu. Ich wartete gespannt auf seine Reaktion, weil ich doch hoffte, vielleicht durch sie erkennen zu können, ob er mit diesem ›Clown‹ unter einer Decke steckte (zu jenem Zeitpunkt verdächtigte ich einfach jeden und hielt einfach alles für möglich), aber es kam nicht die geringste Reaktion. Nur zum Schluß sagte Bracken: »Scheiße. Was nur schiefgehen kann, geht schief.«
»Wieso?«
»Hier ist auch was passiert.«
»Was?«
»Doktor Wolken ist abgehauen.«
»Wolken?«
»Sage ich doch, Trottel. Hörst du schlecht?«
»Wann ist er abgehauen?«
»Heute nacht. Ich komme und komme nicht zum Schlafen. Vor zwei Stunden hat mich Lucien geweckt, dein Freund, der Nachtportier. Hat gedacht, es sei wichtig. War ja auch wichtig.«
»Was?«
»Mir zu sagen, daß Doktor Wolken bei ihm die Rechnung bezahlt und mit allem Gepäck ausgezogen ist – klammheimlich. Lucien hat angerufen, da war Doktor Wolken noch in der Halle, Lucien dachte, ich könnte ihn erwischen, aber Wolken war schlauer. Und schneller. Als ich runterkam, war er schon weg – Lucien konnte ihn ja nicht gut festhalten, nicht? Raus auf die Straße und rein in ein Taxi.«
»Aber warum ist er abgehauen?«
»Das wüßten alle hier gerne. Ich habe brav alle geweckt, und wir hatten noch eine hübsche kleine Konferenz, und ich war gerade wieder im Bett und eingeschlafen, da rufst du an.« Er lachte plötzlich.
»Was ist jetzt los?«
»Jetzt wecke ich natürlich wieder Joe und alle anderen und erzähle, was dir passiert ist. Blödsinnig, wie?«
»Und Doktor Wolken hat mit keiner Silbe gesagt, wo er hin will?«
»Gesagt nicht.«
»Was heißt das?«
»Gefragt hat er. Nach einem Flugplan.«
»Wo will er hin?«
»Trottel, wenn ich das wüßte! Lucien weiß es auch nicht. Der hat ihm nur den Flugplan von der IBERIA gegeben und dann …«
»Flugplan von was?«
»IBERIA.«
»Die spanische Luftfahrtgesellschaft.«
»Ja, deshalb dürfen die Anwälte und ich in einer Stunde raus zu
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