Niemand ist eine Insel (German Edition)
doch, du hast die Zeitung gelesen und den Bericht über diesen Liebhaber von der Moran.«
»über dich«, sagte er. »Über Philip Kaven«, sagte er.
»Ich bin nicht Kaven. Ich heiße Norton. Hör mit dem Blödsinn auf.«
»Blödsinn«, sagte er, plötzlich erheitert. »Du glaubst, du setzt dir eine Brille auf, und keiner erkennt dich mehr, was? Und wenn dich wirklich keiner erkennt – ich weiß, daß du Kaven bist. Mir hat’s mein Freund gesagt. Auch daß du jetzt eine Brille trägst, damit man dich nicht erkennt hier in Nürnberg.«
»Wo hat dein Freund dir das gesagt in Paris?«
»Ich war überhaupt nicht in Paris.«
»Wo warst … Wie heißt du überhaupt?«
»Glaubst doch nicht, daß ich dir das sagen werde, wie? War auch nicht in Nürnberg. War … in einer anderen Stadt war ich, und dort hat mein Freund mich angerufen.«
»Aus Paris.« Das sagte ich, weil ich mir den Kopf darüber zerbrach, von wem der Kerl so viel wußte. Als ersten Lumpen dachte ich natürlich an diesen smarten Rechtsanwalt Lejeune, den Fettwanst. Dem konnte man alles zutrauen. Aber dann, dachte ich, er hat mich doch gerade in diese Sache mit Nürnberg hineingetrieben, damit nicht herauskommt, was mit Babs los ist. Wo bleibt da die Logik? Oder ist Joe das Schwein? Oder Marone? Oder Doktor Wolken? Oder Clarissa? Oder Rod Bracken?
Meine Gedanken rasten. Das alles war verrückt. Keiner von diesen Leuten hatte etwas davon, wenn die Wahrheit bekannt wurde. Alle hielten eisern zusammen, und ich war gezwungen, das meiste zu tun, um zu verhindern, daß die Sache mit Babs herauskam. Dr. Wolken konnte ich vergessen, der war zu dämlich. Clarissa? Vielleicht, weil ich sie nicht umgelegt hatte, als sie mir ihre Liebe erklärte? Eifersucht ist ein sehr starkes Motiv. Und bei Clarissa war es mittlerweile sicherlich Haß. Ja, dachte ich, Clarissa ist die einzige Person, die es nun mit Freuden sehen würde, wenn es einen Weltskandal gibt. Wenn es aus ist mit Sylvia. Und mit mir auch natürlich. Liebe zu Babs? Ach ja, dachte ich. Hat sie so oft gesagt. Waren das noch schöne Zeiten, in denen ich alles glaubte, was man mir sagte. Gut, nehmen wir an, Clarissa. Nehmen wir das einmal an. Ich sehe, daß ich viele Zeilen gefüllt habe mit meinen Überlegungen. Alle waren mir im Bruchteil einer Sekunde gekommen, während ich sagte: »Aus Paris.«
»Aus Paris, ja«, sagte der Kerl auf dem Bett. Wenn es wirklich Clarissa ist, die alles verraten hat, dann kann sie noch aus Paris angerufen haben, dachte ich.
»Hat mir auch die zweite Zeitung geschickt aus Paris, mein Freund«, sagte der Kerl.
Vergiß Clarissa, dachte ich. Die erste Zeitung kann Clarissa geschickt haben, da war sie noch in Paris. Als die zweite, die mit der Berichtigung, herauskam, lag sie schon in der Klinik von Professor Arias Salmerón in Madrid. Also kann sie die zweite Zeitung nicht geschickt haben. In Madrid gibt es das Drecksblatt nicht. Aber wenn sie einen Komplizen in Paris hatte? Oder eine Komplizin? Auf einmal fiel mir siedend heiß Suzy ein. Die war doch so von Haß gegen mich erfüllt, weil ich sie endgültig verlassen hatte. Also vielleicht nicht Clarissa, sondern Suzy? Aber haßt die mich wirklich? Schwer, sehr schwer. Im Grunde traute ich Clarissa eine solche Sauerei eher zu als Suzy. Möglich war beides. Beides half mir nicht weiter.
»Ich bin nicht Philip Kaven«, sagte ich wieder einmal. »Ich bin Philip Norton.«
»’türlich«, sagte der Kerl. »Du bist Philip Norton, und ich hab mich reinlegen lassen von meinem Freund, oder er hat sich geirrt, und ich bin umsonst nach Nürnberg gekommen und hab dich umsonst draußen am Friedhof fotografiert. Sicherlich werden mich alle Agenturen und Zeitungen rausschmeißen, wenn ich ihnen nun die Fotos von Mister Norton vorlege und behaupte, das sind Fotos von Mister Kaven. Ganz bestimmt werden sich alle totlachen. Ich hab nun mal kein Glück. Ich hab gedacht, ich kann die Fotos verkaufen, weil du doch Philip Kaven bist und keinen Skandal brauchen kannst, nicht schon wieder einen, langsam werden die Leute ja meschugge, wenn sie lesen – und jetzt auch noch sehen! –, wo du dich überall rumtreibst und was du tust. Und da habe ich gedacht, ich hab endlich wieder Moos, weil dir gar nichts anderes übrig bleibt, als jetzt mit mir zu kollaborieren.«
»Ich halte nichts von Kollaboration«, sagte ich.
»Wieso nicht?«
»Ich will dir mal sagen, was Kollaboration ist«, sagte ich und dachte, daß die Amis und die deutsche
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