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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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über dem Kissen, das so schöne Gesicht war tränenverheert. Sie schlief sehr tief. Sie hatte auch sehr viel getrunken. Ich sah sie eine Weile an, dann mußte ich an Ruth und Babs denken, und da hielt ich es hier nicht mehr aus.
    Ich fuhr in die Halle hinunter – den einen Koffer trug ich selber – und sagte dem Nachtportier, wie ihm ja bekannt sei, müsse ich sofort nach Paris zurück, geschäftlicher Besprechungen wegen. Ich sei nur zur Premiere nach Rom gekommen. Ich bat einen Hansdiener, und der fuhr mich hinaus zum Leonardo-da-Vinci-Flughafen in Fiumicino. Ich gab dem Mann Geld und nahm meinen Koffer. Der Hausdiener bedankte sich tausendmal und fuhr den Wagen zurück zum BERNINI-BRISTOL.
    Ich mußte unter allen Umständen noch heute, an diesem 19. Mai 1972, in Nürnberg sein. Der Plan war, mit Sylvias Jet zuerst nach Paris zu fliegen. Dort wollte ich meinen Anzug ›von der Stange‹ anziehen – alle andere unauffällige Kleidung befand sich im Hotel BRISTOL in Nürnberg. Ich wollte wieder meine Brille aufsetzen und von Paris aus mit einer Linienmaschine nach Nürnberg weiterfliegen – als Philip Norton. Ich hatte schon das Ticket, denn dieser Zeitplan mußte nun wirklich eingehalten werden. Allerdings war ich viel zu früh in Fiumicino. Die Crew der SUPER-ONE-ELEVEN hatte ich erst für sieben Uhr früh bestellt.
    In der großen Halle des Flughafens waren alle Schalter geschlossen. Ich sah ein paar Putzfrauen, ein paar Polizisten. Es war unheimlich still hier. Meine Schritte hallten. Kaltes Neonlicht brannte. Ich trug meinen Koffer bis zu einer Bank und setzte mich. Vor mir hing ein großer Würfel von der Decke. An drei seiner Seitenflächen erblickte ich Plakate irgendwelcher Firmen. Die vierte Seite trug eine Uhr, die immer wieder und wieder für mich sichtbar wurde, da der große Würfel sich langsam drehte.

Therapie
ANTROBUS: Wie willst du eine Welt machen, in der Menschen leben sollen, bevor du nicht in dir selbst Ordnung machst?

Aus: Wir sind noch einmal davongekommen
Von THORNTON WILDER

1
    E s war zehn Minuten vor acht Uhr früh am Dienstag, dem 23. Mai 1972, als Ruths weißer VW weit draußen, am westlichen Stadtrand von Nürnberg, auf den breiten Gehsteig fuhr und in einem von zwölf gelb gekennzeichneten Plätzen hielt.
    »Aussteigen«, sagte Ruth.
    Ich hatte Babs auf meinen Knien gehalten während der Fahrt vom Krankenhaus hier heraus. Nun öffnete ich den Schlag, hob Babs ins Freie und folgte. Babs hatte ein blaues Kleidchen an, ein weißes Strickjäckchen darüber, und dazu Kniestrümpfe und einfache Halbschuhe. Sie trug die billige Schielbrille mit der gelblichen Hornfassung. Ihre Kleider und Schuhe waren ebenfalls billig gewesen, Ruth und ich hatten sie gemeinsam noch am Freitag der vergangenen Woche gekauft. Zwischen meiner Ankunft in Nürnberg und diesem Dienstagmorgen hatten die Pfingstfeiertage gelegen. Dennoch war es nötig gewesen, schon am Freitag in Nürnberg zu sein, ich werde gleich erklären, warum.
    Ruth nahm einen großen Koffer, der mit neu gekaufter Kleidung für Babs gefüllt war, vom Hintersitz und versperrte die Wagentüren. Sie lachte Babs an, Babs zeigte keine Gemütsbewegung. Sie war ruhig, aber sie war auch, das sah man, ängstlich. Ich hielt sie an der Hand. Wir standen nun vor dem VW. Die Sonne schien. Vögel sangen. Der Himmel war wolkenlos blau. Und es war auch in Nürnberg schon recht warm. Es war noch sehr still hier draußen zu dieser Zeit. Wir standen vor einem langgestreckten, niedrigen Gebäude, in dem sich verschiedene Geschäfte befanden. Niemand von uns dreien sprach. Babs hielt meine Hand.
    Hier, an der Peripherie der Großstadt, war alles schon sehr ländlich.
    Niedere Häuser, fast Bauernhäuser. Kleine Läden. Pferdefuhrwerke – zwei. Blühende Bäume am Straßenrand. Das Ende einer Straßenbahnlinie.
    »Da vorn«, sagte Ruth und zeigte mit einer Hand. Da vorn sah ich das gelbe Zeichen einer Bushaltestelle. Wir gingen darauf zu – Babs hinkend. Bei dieser Bushaltestelle standen zwei Frauen, die eine mit einem kleinen Jungen, die andere mit einem kleinen Mädchen an der Hand, und ein Mann mit einem kleinen Mädchen. Die Erwachsenen unterhielten sich. Etwas abseits, an die Mauer einer Gastwirtschaft gelehnt, erblickte ich einen zweiten Mann. Das war ein verkommen aussehender Kerl mit verdreckten Schuhen, schmieriger Kleidung und unrasiertem Gesicht. Das schmutzige Haar stand ihm vom Kopf ab. Er hatte das aufgequollene, gedunsene rote Gesicht

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