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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Wind rauschte. Babs schlief in ihrem Bett. (Ich schlief auf einer alten Couch im Wohnzimmer, seit wir hier waren.) Wir hatten gegessen – heute hatte Ruth gekocht, Bratkartoffeln, Spiegeleier und Salat. So oft ich ›verreist‹ war, kochte Frau Grosser. Sonst, wenn Babs und ich allein waren, kochte ich. Ich hatte es inzwischen gelernt – die Köchinnen in der Schule drüben hatten mir das Notwendigste beigebracht.
    Während Ruth kochte, war ich zu Frau Grosser gegangen.
    Frau Beate Grosser hatte streng zurückgekämmtes weißes Haar, war an die siebzig, Witwe eines Beamten. Sie wohnte in Heroldsheid. Da hatte sie Zimmer, Küche und Bad im Hause eines Gemüsehändlers. Frau Grosser war eine sehr einsame Frau. Ihren Sohn hatte sie im Krieg verloren. Sie hatte keine Verwandten mehr. So war alles sehr leicht zu arrangieren gewesen, als ich mit Babs hierhergekommen war, weil sich die Frage erhoben hatte, wer sich um das Kind kümmern sollte, wenn ich zu Sylvia mußte.
    »Frau Grosser!« hatte Rektor Hallein damals gerufen. Und er war noch am gleichen Tag mit mir zu ihr gegangen. Frau Grosser war sofort begeistert gewesen. Sie liebte Kinder. Es kam dann, am nächsten Tag, zu der ersten Begegnung zwischen Frau Grosser und Babs. Ich hatte große Angst, daß Babs die alte Dame ablehnen würde. Das Gegenteil war der Fall.
    »Riecht gut, Frau«, hatte Babs gesagt, als alles geregelt und die alte Dame gegangen war. Und damit war dieses Problem gelöst gewesen. Nun hatte ich Frau Grosser aufgesucht und ihr gesagt, daß sie mich wieder einmal vertreten mußte – von morgen früh an.
    »Da freu ich mich aber, Herr Norton«, hatte sie geantwortet. Und mir vier große Birnen mitgegeben – für Babs. »Die müssen Sie nehmen, Herr Norton! Ich hab noch mehr. Mein Gemüsehändler hat sie mir geschenkt …«
    Jetzt lagen die vier Birnen auf dem Nachttisch neben Babs’ Bett …
    Und zu beiden Seiten dieses Bettes saßen Ruth und ich. Nur Licht von einer Lampe im Wohnzimmer fiel in den Raum, aber ich konnte Ruths Gesicht dennoch deutlich erkennen. Wir sahen einander immer wieder an und schwiegen lange, und dann erzählte ich Ruth alles über mich, mein ganzes vertanes, vergeudetes, verhurtes, versoffenes und verspieltes Leben. Ich wußte schon so viel von ihr, sie so wenig von mir.
    Sie lauschte schweigend. Als ich geendet hatte, sagte sie: »Jetzt liebe ich dich noch mehr.«
    »Nachdem du das alles gehört hast?«
    »Ja«, sagte sie. »Denn erst jetzt begreife ich ganz, was du tust, hier draußen, für Babs.«
    Ich schwieg, und wir sahen beide Babs an, die tief und regelmäßig atmend schlief. Ich hörte den Wind draußen flüstern. Und wir saßen an dem Bett und sahen einander und sahen Babs an und schwiegen.
    Um elf Uhr sagte Ruth, daß sie gehen wolle.
    »Ich muß morgen früh raus, du mußt es auch. Es war schön heute abend.«
    »Ja«, sagte ich.
    Im Freien ging Ruth natürlich sogleich in die falsche Richtung – auf den Wald zu. Ich holte sie ein und nahm sie am Arm, und wir kehrten um. Es war lange her, daß wir über diesen ihren ›Tick‹ auch nur noch ein Wort verloren. Ich führte Ruth bis zu ihrem weißen VW, öffnete das große Gittertor für sie und sagte ihr gute Nacht.
    »Gute Nacht, Phil. Alles Gute. Ruf mich im Krankenhaus an, wenn du mich brauchst. Ich warte. Und …«
    »Ja?«
    »Und komm bald zurück, bitte.«
    Ich wollte Ruth an mich ziehen und küssen, aber sie glitt schon hinter das Steuerrad. Ich sah ihr nach, wie sie den steilen Waldweg hinauffuhr und wartete, bis der Wagen hinter den Bäumen verschwand. Dann verschloß ich das Gittertor und ging zu dem kleinen Haus zurück, in dem ich nun mit Babs wohnte.

11
    42  Grad hatte es in Madrid.
    Ich wäre fast ohnmächtig geworden, als ich das Flugzeug verließ. Rod Bracken war mit Sylvias Rolls-Royce gekommen, um Dr. Lévy, Maître Lejeune und mich abzuholen. Er fuhr sofort wie ein Irrer los. Nur in Hemd und Hose, mit Sandalen. Unter den Achseln große Schweißflecken. Wir alle schwitzten. Wir alle hatten unsere Jacken ausgezogen, die Krawatten abgelegt. Der Rolls besaß eine Klimaanlage. Aber wir merkten nichts davon, daß sie kühlte.
    »Wo ist Madame Moran?« fragte Lejeune.
    »Im CASTELLANA HILTON. Sie weiß, daß ihr alle kommt.«
    »Woher?«
    »Einer hat blöd gequatscht. Sie hat was mitgekriegt, sich im Appartement eingeschlossen und sagt, sie will niemanden sehen.«
    »Doktor Lévy, wir setzen Sie beim HILTON ab. Sie werden es fertigbringen,

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