Niemand ist eine Insel (German Edition)
» Sie machen sich welche. Meinetwegen, wenn ich das Geld habe, beschäftige ich auch eine internationale Detektei. Wenn die Glück hat, findet sie vielleicht heraus, wie Clarissa sich umgebracht hat und wo.«
»Oder ob sie noch lebt.«
»Wir werden sehen«, sagte Lejeune und hängte ein.
Ich ging in die Portiersloge zurück. Der Film lief noch immer. Ich sagte zu meinem Freund Lucien: »Hier sind die Papiere und die Schlüssel meines Maserati. Können Sie ihn verkaufen? Er war sehr teuer.«
»Das weiß ich. Aber warum wollen Sie …«
»Ich brauche Geld. Wenn Sie den Wagen verkauft haben, geben Sie das Geld diesem Anwalt.« Ich schrieb ihm Lejeunes Adresse auf. »Morgen bringen Sie ihm Clarissas Brief und beantworten alle seine Fragen – auch die Fragen der Polizei. Es geschieht Ihnen nichts.«
»Ich habe keine Angst, Monsieur Kaven. Ich tue alles, alles tue ich für Sie. Aber ich kann nicht verstehen … Wollen wir nicht lieber wieder auf Pferdchen setzen statt dessen?«
»Das bringt zu wenig und ist zu unsicher. Ich muß das Geld schnell …«
»Ich werde so schnell sein, wie ich kann, Monsieur Kaven.«
»Okay.«
»Aber Sie … Sie haben doch Ihren Wagen so geliebt.«
»Ach wo«, sagte ich. »Was ist ein Wagen? Ein Haufen Blech.«
»Wie Sie wünschen, Monsieur Kaven. Ich glaube, Sie tun es aus Aberglauben. Babs wird gesund oder gesünder, wenn Sie jetzt den Wagen verkaufen, das Teuerste, was Sie haben.«
»Sie sind phantastisch, Lucien«, sagte ich.
»Wieso?«
»Weil das stimmen könnte, was Sie gesagt haben.« Der Film war zu Ende. INF 2 brachte letzte Nachrichten. »Ich kenne einen der reichsten Männer der Welt, Lucien. Der sagte einmal zu mir: ›Das ist das Schöne an der Börse: Ein Spekulant kann tausend Prozent Gewinn machen, aber nie mehr als hundert Prozent verlieren.‹ Betrachten Sie mich als einen Spekulanten, wenn Sie wollen. Ich spekuliere auf eine Besserung im Befinden von Babs.«
Er nickte traurig und drehte den Ton des Fernsehers an, und wir hörten Terrornachrichten aus aller Welt, und dann kam Léon Zitrone und sprach über das Rennen am Sonntag und beurteilte die Pferde und gab die augenblicklichen ›Prognostics‹, die von Experten erwarteten Resultate. Lucien schrieb sie alle mit und lauschte jedem Wort wie einem Wort Gottes.
Ich setzte nicht in diesem Rennen. Ich habe seither nie wieder auf Pferde gesetzt.
Lucien Bayard verkaufte meinen Maserati in drei Tagen. Ich rief ihn aus Heroldsheid an, und er sagte mir, wieviel Geld er erhalten und daß er alles zu Maître Lejeune gebracht hatte. Von da an arbeitete eine weltberühmte Detektei für mich. Ich glaube, wenn ich heute noch einmal darüber nachdenke, daß ich diesen ganzen Wahnsinn in Wahrheit und Wirklichkeit beging, weil Clarissa nicht nur mich, sondern auch Babs geliebt hatte. Mit ihrem ganzen Herzen. Ja, so wird es wohl sein. Denn daran, daß Babs gesund oder auch nur gesünder würde, glaubte ich damals bei meinem Gespräch mit dem Nachtportier des LE MONDE nicht mehr, auch wenn ich es vorgab.
Weder diese Detektei noch die internationale Polizei hat übrigens bis zum heutigen Tag Clarissa entdecken können – tot oder lebendig. Bis zum heutigen Tag weiß ich nicht das geringste darüber, was aus ihr geworden ist. Sie hat es sehr klug angefangen.
19
B lick ins Tagebuch …
Am 27. August 1972, einem Sonntag, war ich wieder in Heroldsheid. Ich hatte Ruth noch aus Paris angerufen, und sie wartete auf dem Flughafen. Als ich durch die Sperre kam, legte sie die Arme um mich und küßte mich scheu. Danach trat sie sofort zurück.
»Komm«, sagte sie und ging vor mir her – in die verkehrte Richtung natürlich. Ich holte sie ein.
»Was ist?«
»Was glaubst du wohl?«
»Ach«, sagte sie. »Es ist zum Verrücktwerden mit mir, wie?«
»Ja«, sagte ich. »Zum Verrücktwerden.«
Auf der Fahrt erzählte ich ihr dann, was ich erlebt hatte. Sie hörte alles schweigend an, zuletzt sagte sie: »Nicht gut.«
»Was?«
»Daß sie unbedingt herkommen und Babs sehen will. Das Kind ist noch nicht soweit. Babs hat Sylvia so lange nicht gesehen. Allem Anschein nach hat sie die Mutter – entschuldige – vergessen.«
»Ja«, sagte ich. »Aber sie ist immer noch die Mutter.«
»Nach deinem Paß ist sie es nicht. Da könnten uns die Behörden helfen.«
»Du kennst Sylvia nicht! Die schlägt in Madrid alles kurz und klein. Die weigert sich, weiterzudrehen! Es ist zum Kotzen. Nein, das war ungerecht. Es ist sehr
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