Niemand ist eine Insel (German Edition)
Babs …
Doch ich darf Sie nicht verwirren, mein Herr Richter.
Darum hier die Ereignisse chronologisch.
Zwischen dem 9. Oktober, an dem Sylvia Selbstmord zu begehen versucht hatte, und jenem 27. Oktober 1972, den ich eben erwähnte, geschah folgendes, zusammengefaßt. Tagebuch also.
10. Oktober 1972: Ralph Lorder (für SEVEN STARS) und John Steeple (für die ABA-Versicherung) treffen ein. Verhandlungen sofort mit beiden aufgenommen. Ich verstehe überhaupt nicht, worum es geht. Ohne da Cava, Bob Cummings und Rod Bracken wäre ich verloren. Muß jedoch den Boß spielen. Alle helfen mir rührend.
John Steeple ist eine aggressive Ratte, Ralph Lorder könnte Joes jüngerer Bruder sein. Sofort schwerste Auseinandersetzungen mit beiden. Verhandlungen in meinem Produktionsbüro, in der Vorführung draußen auf dem Gelände, im CASTELLANA HILTON. Während Lorder nur den Wunsch hat, alle Schuld SYRAN-PRODUCTIONS, also mir in die Schuhe zu schieben, SYRAN-PRODUCTIONS auszubooten und SEVEN STARS den Film auch als Produzent übernehmen zu lassen (ein fetter Brocken!), ist der Mann der ABA entschlossen, keinen Groschen zu bezahlen. Streit bis zu Gebrüll und Verfluchungen. Endlose Transatlantik-Gespräche. Verhandlungen gehen bis 4 Uhr 30 am nächsten Morgen weiter im HILTON (mein Appartement), dann kann einfach keiner mehr vor Erschöpfung. Ergebnis: vorläufig null. Dazwischen dauernde Anrufe in der Klinik. Dr. Molendero: Sylvia lebt noch – wird sie am Leben bleiben? Immer noch akute Lebensgefahr. – Telefonat mit Ruth, heimlich. Sage ihr alles. Sie ist sehr erschrocken. Wie geht es Babs? Nach langem Zögern: Sehr schlecht. So aggressiv wie noch nie. Wutanfälle. Zerstörungsmanie. Tobt. Ist nicht zu bändigen. – Zeitungen in Madrid (und im Ausland) berichten von Herzattacke des Doubles Carmen Cruzeiro. Bringen Fotos von Carmen als Sylvia bei jener Gala. Niemand hat Verdacht. Die vier Detektive von SEVEN STARS schirmen uns ab. Carmen gibt Interviews (dürftig) als Sylvia, läßt sich zur Klinik fahren und gibt dort Blumen für Carmen (Sylvia) ab. Fotografenrummel.
11. bis 15. Oktober: Noch Madrid. Abreise verzögert sich. Weitere Kämpfe mit SEVEN STARS- und ABA-Bevollmächtigten. Überseegespräche mit Joe. Den ganzen Tag lang Streit und Beleidigungen. Es geht um fünfundzwanzig Millionen. Es geht um unsere Existenz. Auf dem ESTUDIOS SEVILLA FILMS-Gelände wird fröhlich weitergedreht. Die großen Tanzszenen. Sylvia noch immer in Lebensgefahr. Ruth: Babs in äußerst schlechter Verfassung, beinahe so schlecht wie bei ihrer Einlieferung. Aller Fortschritt zunichte gemacht. Ich muß in Spanien bleiben.
16. bis 23. Oktober: Der Film wird weitergedreht. Es ist uns gelungen, mit Lorder (SEVEN STARS) und Steeple (ABA) klarzukommen. Reise in die Pyrenäen. Es wird im Zentralmassiv gefilmt. Pico de Aneto. Hier liegt der Schnee schon tief. Oben, nahe den Gletschern, ein elendes Kaff mit nur zwölf Bauernhäusern, das als Drehort bestimmt war. (Die Seilbrücke über den Abgrund ist schon vor Wochen von Bühnenarbeitern gebaut worden.) Häuser liegen weit auseinander. Tags frieren wir uns halb tot bei den Aufnahmen. Carmen jetzt im Bewußtsein, die Sylvia Moran von morgen zu sein. Spielt bis zur Erschöpfung. Entsetzlich, wie unbegabt sie ist. Aber natürlich bei jeder Gelegenheit Lob und Beifall. Bracken erzählt ihr bereits, welche Gagen sie in Hollywood wird fordern können. Oft friert die Kamera ein. Schneestürme. Wir kamen das letzte Stück nur mit Maultieren herauf, welche die Lasten schleppten. Jeden Morgen und jeden Abend fahre ich in einem Geländejeep über vereiste Pfade zum nächsten Ort, wo es Telefon gibt. Sylvias Zustand war schon erheblich besser, jetzt ist sie wieder in Lebensgefahr. Ruth: Babs unverändert schlecht. Bedenklich etwas Neues: Versucht dauernd, auszureißen. Ruth und ich lieben einander. Das sagen wir uns. Immer wieder. – Als ich oben, im Gebirgsdorf heimlich Carmen und Bracken berichte, wie schlecht es Sylvia geht, dreht Carmen durch. Sie schreit gellend (wir müssen ihr den Mund zuhalten): »Dann soll sie doch endlich sterben! Dann soll sie doch end …« Bracken ohrfeigt sie. Im übrigen schläft er jetzt mit ihr – ich habe es durch Zufall entdeckt, als ich eines Nachts keine Ruhe fand und in den Schnee hinausging. Machten eine Menge Lärm. Ich erzähle das Bracken. Er lacht nur. Fotografen kommen. Sensationsfotos. (Die Brücke, zum Beispiel.)
Sylvia: Außer Lebensgefahr.
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