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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Babs: Erste leichte Beruhigung und Besserung. Immer noch Versuche, auszureißen.
    Carmen verändert. Benimmt sich wie eine hysterische Diva. Glaubt jedes Wort, das Bracken ihr sagt. Weiß nicht, daß nur ohne sie wirklich gedreht wird. Wenn sie spielt, ist kein Film in der Kamera, seit die ersten Muster Hollywood erreicht haben und Joe mir telefonisch Anweisung gegeben hat, kein Material zu verschwenden. Etwas Dilettantischeres habe er noch nie gesehen. Szenen mit der Grusche müssen eben nachgedreht werden, wenn Sylvia wieder einsatzfähig ist. Er sagt übrigens wieder Phil zu mir. Carmen erzählen wir natürlich, Hollywood sei von den Mustern einfach begeistert. Ihre Diva-Allüren steigern sich fast bis zum Unerträglichen. Bracken mit seiner Elefantenhaut stört das nicht. Er schläft weiter mit ihr. Sie himmelt ihn an. Am 19. Oktober meldet Dr. Molendero: Sylvia ist wieder ganz auf den Beinen. Nur noch einen Tag zur Beobachtung in der Klinik San Rufo.
    Am 21. Oktober, spät nachts, hole ich Sylvia aus dem Krankenhaus. Reise mit ihr in die Pyrenäen. Wie geht es Babs? Schon wieder hervorragend, lüge ich. Es stellt sich heraus, daß sie vorher Ruth angerufen hat. Die sagte ihr dasselbe. Gott sei Dank. Sylvia liebt mich. Nur mich, ihr Wölfchen.
    Rollenwechsel mit Bracken telefonisch vorbereitet, alles klappt reibungslos. In der Nacht des 23. Oktober bringe ich Sylvia hinauf zu den Gletschern und dem Dorf mit den zwölf Häusern. Sie zieht in eine leere Stube ein, bis die jetzt von Carmen besetzte frei ist. Denn am nächsten Morgen inszenieren wir die Ankunft von Carmen, die ich ebenfalls nachts noch in den Ort hinuntergefahren habe und sie nun, angeblich aus Madrid, angeblich völlig gesundet, anbringe.
    24. Oktober: Erster Drehtag Sylvias nach dem Selbstmordversuch. Carmen wieder als Double. Schwere Umstellung. Tränen. Bracken tröstet, flüstert mit Carmen. Ich kann mir vorstellen, was er ihr verspricht. Alle Szenen, die wir in Sylvias Abwesenheit »drehten«, müssen noch einmal gedreht werden – Sylvia bestehe darauf, erklärt Bracken seiner Freundin Carmen. Aus Vertragsgründen müsse man sie spielen lassen, auch wenn Zeit verlorengeht, auch wenn – das zu Carmen – die ersten Aufnahmen hinreißend waren! Carmen haßt Sylvia nun. Darf es nicht zeigen. Ist wieder das geduldige Double. Lebt in der festen Erwartung, daß ihr nun der Weg nach Hollywood offensteht.
    Ich werde nicht mehr gebraucht. Also Nürnberg. Babs ist wieder so weit hergestellt, daß ich sie nach Heroldsheid bringen kann.

42
    A m Freitag, dem 27. Oktober, gegen Abend, fuhr ich mit Babs in dem Kleinbus der AKTION SORGENKIND, jener Spende des Zweiten Deutschen Fernsehens, von Nürnberg nach Heroldsheid. Es regnete in Strömen – seit Tagen. Und es war sehr kalt. Erstes Glatteis auf der Straße.
    Babs hatte mich ohne Freude begrüßt, als ich ins Sophienkrankenhaus gekommen war, sie schien teilnahmslos und wie noch unter dem Eindruck von Beruhigungsmitteln. (Vielleicht war sie das auch, und Ruth sagte es mir nur nicht.) Nun kannte ich den Weg schon. Es wurde bereits dunkel. Ich versuchte, mit Babs ins Gespräch zu kommen. Unmöglich. Ich drehte das Autoradio an und fand einen Sender, der Musik brachte, um Babs aufzuheitern. Sie wurde unruhig, schlug gegen das Radio, ich drehte es wieder aus. Knapp vor der Abzweigung von der Hauptstraße hinab in den engen Waldweg, der zur Sonderschule führt, stieß Babs mich an.
    »Was ist?«
    »Pipi.«
    »Wir sind gleich da.«
    »Pipi. Jetzt! Jetzt! Jetzt!« Sie trommelte auf das Bord unter der Frontscheibe. Ihr Gesicht war wutverzerrt.
    »Du wirst doch noch einen Moment warten können, bis …«
    Da biß sie mich.
    In die rechte Hand. Ich fluchte und hielt.
    »Rauslassen!« schrie Babs. Im nächsten Moment war sie aus dem Bus geklettert und in den Wald hineingestolpert. Es regnete nun noch stärker, es war fast dunkel. Die Scheibenwischer schlugen monoton. Ich wartete. Fünf Minuten. Zehn Minuten. Babs kam nicht zurück. Ich saß da und starrte in den Regen hinaus und sah die Scheibenwischer schlagen. Es war sehr kalt, das merkte ich, als ich die rechte Vorderscheibe herabkurbelte und nach Babs schrie.
    Keine Antwort.
    Ich schrie noch zweimal.
    Nichts.
    Verurteilen Sie mich, mein Herr Richter, verachten Sie mich, verdammen Sie mich. Dies war, was ich dachte und tat: Freitagabend. Niemand mehr in der Schule um diese Zeit. Die Busse fort. Die Erzieher längst daheim. Babs also wieder einmal

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