Niemand ist eine Insel (German Edition)
Spielcasinos. Ich wußte: Es gibt nur ungefähr 25000 richtige Bürger dieses Landes. Aber mehr als zwei Millionen Fremde kommen jedes Jahr hierher, Fremde aus der ganzen Welt, sehr viele haben eine Wohnung hier, viel mehr Ausländer als Monegassen wohnen ständig in Monaco.
Dieses Fürstentum Monaco ist heute völlig zugebaut – war es fast schon 1969. Nichts Eßbares wächst hier, nur Blumen, alte Palmen und gigantische Wolfsmilchbäume aus Abessinien. Da es keinen Platz für die Menschen mehr gab, mußte man in die Höhe bauen. Ein Wohnturm neben dem anderen ragt in den Himmel hinein. Ich war oft in Monte-Carlo gewesen, bevor ich Sylvia kannte. Und ich habe mir immer gewünscht, hier, bei diesen freundlichen, hilfsbereiten und sanftmütigen Menschen, hier, in dieser Bucht des Friedens und der Schönheit, leben zu können. Nun ja. Wieder wanderten meine Gedanken zurück, zurück nach Beverly Hills …
»Sag mal, bist du bekloppt?« Bracken regte sich auf. »Du verehrst de Sica, seine Filme! Für dich ist er, neben Fellini, der größte europäische Regisseur! Ja und? Hast du schon final einen Film von de Sica gesehen, in dem keine Kinder vorkamen?«
»Richtig«, sagte ich.
»Kinder, Tiere und Pfaffen – wenn das in einem Film drin ist, kann einfach nichts schiefgehen«, sagte Rod Bracken. »Mit den Pfaffen ist es diesmal nischt. Schau, Sylvia: Kinder und Tiere, so etwas lieben alle Menschen, einfach alle. Der große de Sica hat das erkannt. Ein Film mit einem Kind oder einem Tier – von vornherein geritzt! Hast du die Millionen bereits in der Tasche. Besonders, wenn so einem Kind was zustößt oder so einem Tier. Vergessen wir die Tiere. Aber die Kinder! Die Kinder ! Und du sollst doch jetzt über Kinder reden, denen etwas zugestoßen ist, Sylvia! Und was denen zugestoßen ist! So ein Leid! Millionen, die verhungern – na ja, schlimm, schlimm, aber ein Kind in Not, ein krankes Kind, ein Kind in Gefahr! Natürlich ein amerikanisches, eventuell noch ein europäisches – to hell with all the others! Verstehst du, was ich meine? Also, da gibt es einfach nur noch Rotz und Wasser!«
»Aber was soll ich denn sagen?«
»Ich schreibe dir schon auf, was du sagen sollst«, erklärte Bracken. »Und das ist dir doch klar: Babs muß mit!«
»Babs?«
»Na klar!«
»Ja, aber wird sie nicht erschrecken, wenn ich über diese … über diese kranken Kinder spreche?«
»Erschrecken? Babs? Ist doch noch viel zu klein, um zu kapieren!«
»Die kapiert alles, Rod!«
»Na, dann muß sie eben erschrecken! Wie lange? Halbe Stunde. Dann hat sie’s wieder vergessen. Verflucht, Phil, möchtest du freundlicherweise nicht wenigstens von Zeit zu Zeit auch mal das Maul aufmachen?«
Ich sagte: »Rod hat recht, Hexlein. Das ist eine ungeheure Chance für dich. Und natürlich muß Babs mit. Schon wegen des Kontrastes. Babs, gesund und lachend, neben dir auf den Fernsehschirmen – und du appellierst an die Welt um Verständnis und Hilfe für die Kinder, die nicht gesund sind, die nicht lachen!«
Sylvia sah uns lange an. »Ja also, wenn ihr wirklich meint …«
»Endlich!« seufzte Bracken. »Laßt mich alles andere machen, ich bereite alles andere vor« – Blick zu mir – »wie immer. Kinder! Kinder! Gottverflucht großer Mann, dieser de Sica …«
»Voilà«, sagte der Kommissar Drouant, als der Wagen nun langsam talwärts rollte, vorbei an dem weiß-roten Grenzpfahl des Fürstentums, »wir haben es geschafft.«
Ich war wieder in der Gegenwart. Ich sah, was ich schon so oft gesehen hatte: die Hochstraßen, die auf enormen Pfeilern stehen, die Kleeblätter der Kreuzungen, auch Tunnels, ich sah das alles noch von oben. Dann erreichten wir den untersten Punkt einer Straße, ein Drehkreuz zurück nach Nizza, vorwärts nach Italien, mittendurch wieder empor zum Stadtinneren.
»Ich kenne mich kaum noch aus«, sagte ich. »So viele Wolkenkratzer, so viele neue Häuser …«
»Wann waren Sie zum letzten Mal hier, Monsieur Kaven?« fragte der Minister.
»Vor vier Jahren, Exzellenz.«
»Ja dann …«, sagte er.
»Aber Sie wissen doch, wo das HÔTEL DE PARIS und das Casino stehen, wie?« fragte mich die Frau des amerikanischen Generalkonsuls.
»O ja, gewiß.«
Nun erreichte unser Konvoi die Boulegrins. Die Boulegrins sind eine gepflegte Rasenanlage mit Zierbeeten, in denen kostbarste und seltenste Blumen leuchten und strahlen. Dann stehen da tropische Bäume – Banyans und Kakteen, hoch wie Eichen.
Und da stand
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