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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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sehen.«
    »Ja«, sagte ich. »Das ist schon lustig.« Und ich lachte auch. Warum ihr die gute Laune verderben?
    »Machst du es nachher noch mal?«
    »Mit Vergnügen, Gräfin«, sagte ich.
    »Chéri, du bist so süß … Jetzt hast du wieder deinen Geruch«, sagte Suzy und küßte meine Brust. Viele kleine Küsse bekam ich. »Deinen Philip-Geruch. Deinen typischen Philip-Geruch. Kein anderer Mann riecht so wie du … so … so … animalisch … Wenn ich dich bloß rieche, bin ich schon fast soweit … Und der Geruch bleibt, da kannst du baden, soviel du willst, du hast ja gerade gebadet.«
    Als ich eingetroffen war, hatte sie die Nase gerümpft.
    »Oh! Was ist denn das? Du riechst ja nach Hospital!«
    »Komme ich auch her. Freund besucht. So alt wie ich. Und stell dir vor, der kriegt doch die Masern! Darum habe ich dich ja, bevor ich kam, angerufen und gefragt, ob du Masern schon gehabt hast.«
    »Ja. Und Gott sei Dank habe ich sie schon gehabt«, hatte Suzy gesagt. »Aber jetzt marsch, in die Wanne!«
    Sie hatte mich abgeschrubbt, und es war auch das erste Mal dann gleich in der Wanne passiert, natürlich. Netter Kerl, diese Suzy, wirklich …

    Als ich an jenem Donnerstag die Klinik des Professors Delamare verlassen hatte, knapp nach acht Uhr abends, also noch sehr zeitig, da hatte es nicht mehr geregnet, nur gestürmt. Ich mußte vorsichtig sein. Immer mit Verfolgern rechnen. So war ich also ein weites Stück zum nächsten Taxistand gegangen, Hut in der Hand, denn der Sturm hätte ihn fortgerissen, Kragen des Mantels hochgeschlagen, tief atmend. Frische Luft!
    Der Taxistand.
    »’soir, ’sieur.«
    »Abend. Bitte Montmartre. Nur zum Fuß der Treppe.«
    »Bien, ’sieur.«
    Das war ein sehr weiter und komplizierter Weg, aber wenn ich zu Suzy wollte, mußte ich dorthin. Ihren Salon hatte sie im Zentrum, in der Avenue Charles Floquet, doch ihre Wohnung hatte sie weit weg (aus gutem Grund gewiß), in einem alten Haus an der Place du Tertre.
    Ich kurbelte während der Fahrt das Wagenfenster herab. Der Nachtwind traf mein Gesicht, und ich atmete immer noch tief.
    Als wir ankamen, ging ich die Treppe hinauf. Die ›Funiculaire‹, die Standseilbahn, hatte ihren Betrieb zu dieser Stunde schon eingestellt. Mir machte das nichts. Ich ging langsam hinauf zur Kirche Sacré-Cœur, bis zur Butte. Was mich immer wieder aufs neue fasziniert, wenn ich in Paris bin, in der Stadt, die ich so sehr liebe, ist der Ausblick, den man von hier oben hat. Darum war ich schon unzählige Male hier oben gewesen. An diesem Abend stand ich ganz allein da, der Sturm riß an meinem Mantel, orgelte, pfiff, dröhnte, stöhnte, und ich sah hinab auf das Panorama der Stadt, die abertausend Lichter der Straßenzüge, der Autos, der Fenster, ich sah Kirchen, die Seine, ihre Ufer, den Eiffelturm, und ich dachte, wie recht Hemingway doch gehabt hatte, als er seinem letzten Buch über Paris und seine Erinnerungen daran den Titel A MOVEABLE FEAST gegeben hatte. Das war deutsch unzulänglich PARIS – EIN FEST FÜRS LEBEN übersetzt worden, denn diese Stadt Paris war wirklich ein ›bewegliches‹ Fest, beweglich vom Tag zur Nacht, von der Nacht zum Tag, unaufhörlich, so daß der, der hier lebte, vom Tag zur Nacht, von der Nacht zum Tag in immerwährenden beweglichen Festen lebte.
    Ich stand lange da oben, und von Minute zu Minute fühlte ich mich wohler, leichter, befreiter. Dann ging ich vom Kirchenvorplatz nach rechts in die Rue Azais hinein. Erreichte die Rue Saint-Éleuthère, die mich zur Rue du Mont-Cenis brachte. Überall hier sehr dunkel, wenige Laternen, immer noch Vorstadt. Links ging’s hinein auf die Place du Tertre.
    Hier standen noch die alten Häuser und die uralten, nun völlig kahlen schwarzen Bäume. Es sah aus wie auf dem Marktplatz einer französischen Provinzstadt. Es gab kleine Restaurants und Bistros. Ich war auch schon im Sommer hier gewesen und hatte den alten Männern zugesehen, die unter den Bäumen ›Boule‹ gespielt hatten. Keine alten Männer zu dieser Zeit, in diesem November. Verlassen die Straßen. Ein struppiger Hund lief mir nach, er hatte vielleicht die Hoffnung, ich würde ihn mitnehmen, aber was sollte ich mit einem Hund? Ich drehte mich beim Gehen immer wieder um, es folgte mir niemand, da war ich ganz sicher, nur dieser Hund.
    Da war ein rosarotes Haus. Unten ein Restaurant. CHEZ ÉMILE. Ich hatte einen Haustorschlüssel – von Suzy. Damit ich die Concierge nicht rausklingeln mußte und es kein Gerede

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