Niemand ist eine Insel (German Edition)
läßt … Silikon, was?«
»Klar«, sagte ich.
»Vollgespritzt mit Silikon.« Sie sagte träumerisch: »Aber ihr Brillantcollier, Wölfchen, so etwas habe ich noch nicht.«
»Wirst du es dir eben kaufen«, sagte ich.
»Werde ich mir es eben kaufen, ja, das werde ich!« Sylvia lachte plötzlich. »Weißt du, was, Wölfchen?«
»Was, Hexlein?«
»Komisch, von dieser ganzen Schreierei habe ich einen irren Hunger gekriegt! Ich könnte einen ganzen Hummer essen!«
»Du wirst ein Dutzend Hummer kriegen, wenn du sie schaffst«, sagte ich.
Dann lachten wir beide.
24
N a, sie schaffte eineinhalb Hummer. Und zwei Flaschen Comtes de Champagne. Und eine Menge Whisky. Und alle Kameras waren auf sie gerichtet, wie ich es ihr prophezeit hatte. Und dann wirbelten die MONTE-CARLO DANCERS über die Bühne. Und dann wurden die Bilder versteigert. Auktionator: Frédéric. Gesamteinnahme: 11,5 Millionen Neue Francs. Sylvia bot natürlich mit, was denn, Noblesse oblige. Seit diesem Tag hat sie einen Léger. Ich hätte ja lieber einen Modigliani gehabt, diesen liegenden Akt in Violett. Aber es war ihr Geld, nicht wahr, und es war ein recht ordentlicher Leger. Bißchen überzahlt natürlich. Bißchen unheimlich überzahlt natürlich. 800000 Francs. Neue!
Rod Bracken tauchte auf und sagte mir – da tanzte Sylvia gerade mit Niarchos –, er habe Babs Clarissa übergeben und sei danach mit Frédéric hergekommen, und das sei doch toll gelaufen, was? Na ja, und da erzählte ich Rod dann, wie toll das gelaufen war, und er fluchte geradezu infernalisch, und danach dankte er dem Lieben Gott (schon wirklich komisch mit diesem Lieben Gott und dieser Dankerei und Bitterei, nicht wahr?) für den Massel, den wir gehabt hatten trotz allem, und dann tranken wir ein Fläschchen zusammen. Zum ersten Mal, seit wir einander kannten, vertrugen wir uns, waren wir einander fast sympathisch.
Der Erfolg in der Welt war dann auch genau der, den ich Sylvia prophezeit hatte. Sie werden sich an die Sendung gewiß erinnern, mein Herr Richter, sie ist Fernsehgeschichte geworden.
Zwei Tage später flogen wir heim nach Hollywood. Über dem Atlantik dachte ich noch einmal genau an alles zurück. War da nicht doch eine undichte Stelle geblieben? Konnte uns da ganz gewiß nichts passieren? Hatte da ganz bestimmt keine Seele mitbekommen, wie Sylvia getobt hatte?
Nein.
Nein und nein.
Da war alles absolut dicht, dachte ich.
Als es sich dann später herausstellte, daß ich mich geirrt hatte, mußte ich noch einmal nach Monte-Carlo fliegen, mit Rod Bracken. Nicht um die Gefahr einer Katastrophe aus der Welt zu schaffen – dafür war es zu spät. Da mußten wir schon mit der Gefahr einer Katastrophe leben, die Sylvias Karriere im Handumdrehen vernichten konnte, mußten mit ihr leben von da an immer weiter, bis heute, bis zu dem Moment, da ich das M in Moment geschrieben habe. Nein, nicht um diese Gefahr aus der Welt zu schaffen, flogen Rod und ich damals noch einmal nach Monte-Carlo, sondern um die Gefahr wenigstens im Zaum zu halten, zu zügeln – zu versuchen , sie zu zügeln! Damals, als wir den Chefsprecher von TMC, Frédéric Gérard, trafen, weil wir mit ihm sprechen mußten, war ich noch einmal in jene kleine Garderobe gegangen. Und da sah ich dann das schwarze Kästchen auf dem Schminktisch. An jenem schlimmen Abend hatte ich es übersehen. Sie wissen, mein Herr Richter: Garderoben im Theater, in Film- und Fernsehstudios haben sehr häufig diese Rufanlagen, nicht wahr? Damit man Schauspielern mitteilen kann, wann ihr Auftritt ist, wieviel Zeit sie noch haben, und vieles andere. Eines wissen Sie vielleicht nicht: Diese Rufanlagen, untergebracht in kleinen schwarzen Kästchen, arbeiten häufig nach beiden Seiten. Das heißt: Sie übertragen nicht nur Stimmen wie Lautsprecher. Sie nehmen, anders eingestellt, auch Stimmen auf. Wie Mikrofone …
25
S uzy Sylvestre, meine Pariser Kosmetikerin, hatte die Masern schon als Kind gehabt. Konnte nichts mehr geschehen. Wir lagen beide völlig nackt auf ihrem verrückten Bett (sehr groß und kreisrund) im Schlafzimmer ihrer verrückten, supermodern mit Plastik-Möbeln und Lichteffekten und Posters (von Che Guevara über die Konservenpracht Andy Warholes bis zu der Faust im Stacheldraht von Amnesty International, wild durcheinander) vollgekleisterten Wohnung. Ich fand es gemütlich hier. Das Licht im Schlafzimmer, wo wir die beiden letzten Stunden tätig gewesen waren, bis wir, ausgepumpt und erschöpft,
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