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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Stethoskop ab, maß den Blutdruck, alles sehr behutsam. Ich hatte keinen Mut mehr, ihn zu fragen, wie die Befunde waren, Sigrand sah die beiden Ärzte an. Dann zuckte er die Achseln.
    Das war alles.
    Ich wischte mir mit einem Taschentuch’-den Schweiß von der Stirn. Die Sanitäter vorne hatten das Autoradio eingeschaltet. Gewiß nicht besonders laut. Sie wollten eben informiert sein. Dieser Krankentransport war Routine, klar. Aber weil wir so still waren und weil es auf den Straßen, durch die wir fuhren, so unheimlich still war, hörte ich eine Sprecherstimme: »… der Botschafter der Bundesrepublik Deutschland, Doktor Max Obermaier, wohnt gleichfalls mit seiner Familie im Sperrgebiet …«
    Ich sah durch ein schmales Seitenfenster der Ambulanz ins Freie. Ich sah nicht einen einzigen Menschen. Es war knapp 2 Uhr früh – und nicht ein einziger Mensch mehr auf der Straße. Im Zentrum von Paris! Das hatte ich noch niemals erlebt, und ich kannte Paris wie meine Tasche. Die Ambulanz hatte jetzt Blaulicht eingeschaltet, ihre Sirene heulte.
    »Kann man das nicht abstellen?« fragte ich.
    »Nein«, sagte Dr. Sigrand und sah mich an, als hätte ich seine Mutter erschlagen. Was war bloß los mit dem Kerl?
    »Aber es ist doch kein Mensch unterwegs …«
    »Autos können aus Nebenstraßen kommen«, sagte er. »Die Sirene muß sein. Das Blaulicht auch. Sie werden es schon ertragen.«
    Was roch hier so nach Parfum? dachte ich. Die anderen mußten dasselbe denken, denn ich sah, wie Dr. Lévy und Dr. Dumoulin schnupperten. Dann wurde es mir klar. Das war mein Taschentuch, mit dem ich mir die Stirn getrocknet hatte! Es roch nach VIVRE. Kräftig. Verflucht, aber ich hatte doch noch gebadet, bevor ich Suzy verließ! Da sehen Sie mal, was für ein gutes Parfum VIVRE ist.
    Ich steckte das Tuch schleunigst ein und sah wieder aus dem Fenster. Vorhin waren wir auf der Place de l’Étoile um den Arc de Triomphe gefahren. Jetzt waren wir schon ein großes Stück weiter, die Avenue de la Grande Armée hinauf. Die Sirene sang. Das Blaulicht zuckte ins Wageninnere. Babs murmelte jetzt nur. Place de Verdun. Porte Maillot.
    Avenue de Neuilly.
    Avenue de Neuilly!
    Ich fuhr hoch. Noch ein Stück, und wir landeten bei …
    Die Ambulanz bog links ab.
    In sehr vielen Fenstern sehr vieler Häuser, an denen wir vorbeigefahren waren, hatte ich Licht gesehen. Inzwischen schien die Stadt wieder munter geworden zu sein. Die Geiselnahme in Den Haag …
    »… Tausende werden in wenigen Stunden ihre Arbeitsplätze nicht erreichen können«, kam die Stimme des Rundfunksprechers von vorne in die Ambulanz. »Auch das Sekretariat des Prinzen Claus der Niederlande liegt in der Sperrzone …«
    Hauptstraße.
    Avenue de Madrid.
    Moment, Moment, das war doch ganz nah am Bois de Boulogne. Allmächtiger. Über die Avenue! Zweite Kreuzung scharf links. Wieder eine Hauptstraße. Rue de Longchamps. Hinauf etwa einen Kilometer. Dann waren wir da. Der Sanitäter am Steuer hupte. Und fuhr in den Hof des Hôpital Sainte-Bernadette hinein.
    Wir wurden schon erwartet. Männer und Frauen in Weiß eilten herbei. Es ging alles sehr schnell. Raus aus der Ambulanz! Die Bahre wurde auf ein fahrbares Gestell mit Gummirädern gehoben. Schattenhaft und undeutlich konnte ich sehen, daß dieses Krankenhaus ein Riesenkomplex war, bestehend aus verschiedenen Kliniken und Höfen. Wir hatten im Hof der Hals-Nasen-Ohren-Klinik gehalten. Nun waren wir schon in dem Gebäude. Weiße Gänge. Weiße Kacheln. Weiße Neonstäbe. Alles weiß. Wie ich es schon einmal erlebt habe heute abend, dachte ich. Ein Krankenaufzug. Ich sagte zu Dr. Sigrand: »Ich muß Sie um etwas bitten, Herr Doktor.«
    Keine Antwort.
    »Ich weiß, ich bin Ihnen widerwärtig. Ich weiß nicht, warum. Aber ich muß Sie um etwas bitten. Hören Sie mich?« Die letzten Worte sagte ich sehr laut.
    »Ich höre Sie«, sagte Sigrand.
    »Ich erkläre Ihnen alles später …«
    »Was?«
    Der Lift glitt ganz ruhig nach oben.
    »Warum ich Sie darum bitte. Jetzt haben Sie keine Zeit. Nachher. Bitte! Es ist von größter Bedeutung: Das Kind darf nicht unter seinem richtigen Namen aufgenommen werden!«
    »Ich kann mir keinen Grund denken, warum das Kind nicht …«
    »Es gibt einen verflucht guten Grund«, sagte ich. Ich wurde heimtückisch. »Ich habe Sie darum gebeten , Herr Doktor.«
    Sigrand betrachtete mich verblüfft.
    »Also, wie ist das – falscher Name oder nicht?«
    »Meinetwegen. Was für einer?«
    »Ein

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