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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Fernsehapparat, Radio, ein paar Möbel, ein Teppich. Der Fernsehapparat war ausgeschaltet. Aus dem Radio, vor dem, an den Fingernägeln kauend, der zweite Nachtportier, Jean Perrotin, saß, kamen die Stimmen. Reporterstimmen! Durcheinander. Aufgeregt. Rasend schnell.
    »… eben Scharfschützen in Wohnungen der Häuser gegenüber postiert …«
    »… stürmten die drei japanischen Terroristen – bewaffnet mit Handgranaten und Pistolen – die Französische Botschaft, nahmen Geiseln und verschanzten sich im vierten Stock des Gebäudes …«
    »… Ich erfahre soeben: Außer den drei Terroristen des Kommandos befinden sich folgende neun Menschen als Geiseln in der Botschaft: Der französische Botschafter in Den Haag, Graf Jacques de Senard, vier Direktoren der französischen Mineralölfirma ›Compagnie Française des Pétroles-Total‹, eine zweiundzwanzigjährige Telefonistin namens Bernardine Geerling, die gleichaltrige Sekretärin des Botschafters Joyce Fleur und die beiden Sicherheitsbeamten. Die Herren der Mineralölfirma hatten zur Zeit des Überfalls eine Lagebesprechung mit dem Botschafter, die länger als vorgesehen dauerte …«
    »Schöner Mist«, sagte Jean Perrotin.
    Ich habe nicht die Absicht, sehr viel über das zu erzählen, was da in den ersten Morgenstunden des 25. November 1971 in der Französischen Botschaft in Den Haag passiert war und was sich in den folgenden Tagen daraus entwickelte. Sie erinnern sich sicherlich noch genau daran, mein Herr Richter. Oder auch nicht mehr ganz genau, denn diese neueste Spielart menschlichen Einfallsreichtums, ich meine Flugzeugentführungen, Geiselnahmen, Blutbäder auf Flughäfen, Erpressung ganzer Staaten durch zwei, drei, fünf eiskalte Fanatiker oder Killer gegen hohes Lösegeld, hatte damals gerade ihren ersten Höhepunkt erreicht.
    In jenem speziellen Fall ging es um einen Japaner namens Yukata Furuya. Der war am 21. Juli auf dem Flughafen Orly verhaftet worden. Grund: Furuya hatte drei falsche Pässe, 10000 Dollar in gefälschten 100-Dollar-Noten und einen verschlüsselten Brief bei sich. Er kam in das Pariser Santé-Gefängnis. Um ihn von da herauszuholen, waren nun drei Japaner in die Französische Botschaft in Den Haag eingedrungen. Sie erklärten sofort über Telefon, Mitglieder der ›Rengo Sekigun‹, der ›Vereinigten Roten Armee‹, zu sein. Diese Terrororganisation richtete 1972 dann das Blutbad auf dem Tel Aviver Flughafen Lod an. Die ›Rengo Sekigun‹ arbeitete mit den palästinensischen Guerilla-Organisationen zusammen …
    Eine der Putzfrauen, die in der Halle arbeiteten, steckte den Kopf zur Tür herein.
    »Was Neues?« fragte sie heiser. Im Mundwinkel hing eine Zigarette.
    »Die Japaner«, sagte Perrotin, »fordern, daß der Kerl, dieser Furuya, der in der Santé sitzt, rausgelassen wird und …«
    »Die gelben Schweine«, sagte die Putzfrau.
    »… daß die französische Regierung ihn mit einer AIR-FRANCE-Boeing nach Schiphol schickt …«
    »Was ist Schiphol?« fragte die Putzfrau.
    »Der internationale Flughafen von Amsterdam. Und daß dieser Furuya die Maschine inspiziert. Und wenn er …«
    »Die gelben Schweine«, sagte die Putzfrau.
    »… die Maschine in Ordnung findet, scheint es, aber es muß nicht so sein, werden die in der Botschaft zuerst die beiden Mädchen freilassen …«
    »Die schmutzigen gelben Schweine«, sagte die Putzfrau.
    »… dieser Furuya, den sie befreien wollen, möchte aber offenbar gar nicht befreit werden! Er hat dafür, daß er sich nach Den Haag fliegen läßt und damit das Leben des französischen Botschafters rettet, den sie als ersten umlegen wollen, eine Million Dollar gefordert …«
    »Die dreckigen gelben Schweine«, sagte die Putzfrau. »Also eine Boeing für eine Sekretärin und eine Telefonistin! Was die wohl für zwei Putzfrauen verlangt hätten? Und eine Million Dollar für einen Botschafter! Am besten, die geben gleich eine ganze Preisliste bekannt, wer wieviel kostet.«
    »In ganz kurzer Zeit, sagen die Reporter, wird auch das Fernsehen soweit sein, daß es aus Den Haag senden kann«, sagte mein Freund Lucien. »Ich nehme an, jetzt schon sitzt halb Frankreich vor den Radios. Das wird was werden, wenn erst das Fernsehen dazukommt! Und wenn das Tage dauert!«
    Und wenn das Tage dauert …
    Ich zog Lucien am Arm.
    »Monsieur?«
    »Wo kann ich Sie sprechen?«
    »Wo Sie wollen. Hier. Oder woanders. Warum?«
    »Nicht hier. Wo uns niemand hören kann«, sagte ich leise.

30
    E ine

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