Niemand ist eine Insel (German Edition)
Hexlein.
Viertens: Wenn wir die Polizei verständigten – und nachträglich mußte ich Bracken recht geben –, war gleich alles aus. Dann wußten unübersehbar viele Menschen von der Geschichte. Dann schalteten sich Polizeidezernate in Wien, Monte-Carlo und wer weiß sonst wo ein, vielleicht sogar INTERPOL. Dann war das alles aktenkundig. Dann mußten wir der Polizei die Wahrheit sagen. Die Wahrheit über Sylvias Ausbruch. Dann mußten wir der Polizei die kleinen ›Probe‹spulen übergeben. Und das war unmöglich …
Es gab also nur noch eines: Ich rief Frédéric Gerard in Monte-Carlo an, erzählte ihm, was geschehen war ( er mußte die Wahrheit kennen), und bat ihn, jede nur mögliche Nachforschung anzustellen, jedoch unter keinen Umständen mit Hilfe seines Freundes, des Kommissars Alexandre Drouant, oder der monegassischen Polizei.
Nun, Frédéric zögerte lange. Er kam da in einen hübschen Gewissenskonflikt. Er meinte immer wieder, es wäre doch besser, Drouant zu informieren. Nein, sagte ich immer wieder, das sei ausgeschlossen. Eineinhalb Stunden dauerte dieses Transatlantik-Gespräch. Dann willigte Frédéric ein. Beklommen und sehr unsicher, ob er das Richtige tat, wie er sagte. Nur meinetwegen, wie er sagte. Um mir zu helfen. Er sagte nicht: um Sylvia zu helfen, nein. Er wußte ja jetzt, was sie da in der Garderobe von sich gegeben hatte. Frédéric sagte, er würde alles tun, um herauszufinden, wie das Originalband entstanden war, wer es hergestellt hatte, ob dieser Hersteller auch der Erpresser war, beziehungsweise wenn nicht, wie dann das Originalband in die Hände des Erpressers hatte gelangen können.
Aus diesem Grunde waren Bracken und ich drei Wochen später, im Dezember, nach Nizza geflogen. Aus diesem Grunde standen wir nun, am Nachmittag des 13. Dezember, im Aquarium des Musée Océanographique in Monte-Carlo. Vor einem anderen Bassin …
»Das ist ein Zackenbarsch«, sagte Bracken. Ich dachte, daß er den Verstand verloren hatte. Hier ging es um wichtigeres als um diese Drecksfische. Aber Bracken war in Wahrheit am Rand seines Verstandes angelangt und versuchte, das, wie immer, durch Nonchalance zu tarnen. Idiotisch, doch er tat es. »Ein Riesenzackenbarsch …«
»Sie haben also gezahlt«, sagte Frédéric. Wir gingen weiter, sehr langsam.
»Klar haben wir gezahlt. Mußten wir doch. Und der Hund wird uns erpressen, solange er lebt. Solange wir leben«, sagte ich. »Wie war es möglich, diese Aufnahmen zu machen, Frédéric? Wie war das technisch möglich?«
»Das zeige ich Ihnen nachher im Sender, Monsieur Kaven.«
»Aber Ihnen war es unmöglich, trotz aller Bemühungen, auch nur eine einzige Spur zu finden, die zu diesem Schwein führt?« fragte ich.
»Unmöglich, leider, Monsieur Kaven«, sagte Frédéric. »Das Ganze ist schrecklich. Aber … verzeihen Sie … es ist auch schrecklich, was Mrs. Moran da in der Garderobe sagte.«
»Nerven«, sagte ich. »Reine Nervensache. Sylvia ist die beste und gütigste Frau der Welt.«
Frédéric blickte mich lange stumm an, dann sah er weg.
»Wenn da ein Mikro in der Garderobe war und das Gespräch wurde mitgeschnitten, dann kommt doch in erster Linie ein Mann in Frage, der so was versteht, nicht wahr, Frédéric?« sagte Bracken.
»Ja«, sagte Frédéric. »An wen denken Sie, Monsieur?«
»Na«, sagte Rod, »bei der Sendung waren doch zwei Tonmeister im Regieraum, oder nicht?«
»Gewiß. Zwei.«
»Einer ist uns aufgefallen – Mister Kaveen und mir, der, der dauernd dieses SCHOUM-Zeug trank und danach ordentlich Rotwein. Alter Süffel, was?«
Frédéric nickte.
»Halten Sie es nicht für möglich, daß der …«
»Jean Duval?«
»Ich weiß nicht, wie er heißt. Der Süffel eben.«
»Ich habe beide Tonmeister unter die Lupe genommen, Mister Bracken«, sagte Frédéric. »Mitschneiden konnte nur Duval, das steht fest. Der andere Mann kommt überhaupt nicht in Betracht.«
»Und was ist bei dem Süffel rausgekommen?« fragte Bracken.
»Du hörst doch, nichts«, sagte ich.
»Ich würde aber gerne wenigstens mit diesem – wie heißt er? – mit diesem Süffel reden«, sagte Bracken.
Frédéric sah ihn stumm an. Wir standen jetzt vor dem Becken mit den Schnepfenfischen, wie ich Brackens Gemurmel entnahm. Die Fische sahen lustig aus mit ihrem Röhrenschnabel, der länger war als ihr Körper. Aber uns war gar nicht lustig zumute.
»Was ist? Kann ich mit dem Süffel reden?« fragte Bracken. Jetzt interessierten ihn
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