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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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geht es Babs?«
    »Nicht gut, Herr Norton. Leider. Nein, leider nicht gut.«
    »Hm …«
    »Ich weiß, was Sie denken, Herr Norton.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Das glaube ich schon.« Ich war überzeugt, daß sie es wußte. Ich sagte schnell: »Sie haben seit gestern abend Dienst – Sie sind doch zum Umfallen müde, Frau Doktor.«
    »Das ist die lange Schicht«, sagte sie. »Auch für Doktor Sigrand. Nun hätte ich ab neun eigentlich bis morgen abend neun frei.«
    »Was heißt eigentlich?«
    »Daß ich in der Klinik bleiben werde. Doktor Sigrand auch.«
    »Warum?«
    »Wegen Babs. Wenn wir einen so schlimmen Fall haben, schlafen wir in der Klinik. Machen Sie nicht so ein Gesicht – ich kann schlafen, wo ich mich hinlege, auch auf Betonboden. Überall. Nun kommen Sie, wir gehen zu Babs.« Sie erhob sich mühsam. Das kleine Lamm fiel zu Boden. Ich hob es auf. »Danke«, sagte Ruth Reinhardt. »Die Kinder spielen so gern damit, wissen Sie.«
    Ich nickte, und wir verließen den Raum. Auf dem Verwaltungsgang hörte ich die Stimme eines Fernsehsprechers: »… eine Spezialeinheit von achtundzwanzig Mann, die zur Bekämpfung von Geiselnahmen, Terrorakten, Entführungen und organisierten Verbrechen gebildet worden ist … Wir schalten um zum internationalen Flughafen Schiphol. Pierre Renoir, bitte melden …«
    Die Stimme verklang. Wir hatten den Krankentrakt erreicht.
    Ruth Reinhardt öffnete eine Tür. Ich trat in das Zimmer von Babs, in dem ich schon einmal gewesen war. Nun war es nicht mehr fast finster. Nun brannte hier Licht. Über Babs gebeugt, erblickte ich Dr. Sigrand und eine Schwester. Ich sah, wie er gerade eine Injektionsspritze in eine Schale legte, welche die Schwester ihm hinhielt. Dr. Sigrand wirkte grau, verfallen und erschöpft – wie ein sehr alter Mann. Er nickte mir zu. Er war sogar zu müde, mich zu hassen – er mußte sehr müde sein.
    Ich sah Babs.
    Ich erschrak.
    Das fleckenübersäte Gesicht war verquollen und tiefrot. Am rechten Ohr trug sie einen dicken Verband. Die Augen standen offen, sie waren nach oben verdreht, man sah fast nur Weißes. Obwohl Babs nach oben blickte, befand sich ihr Körper völlig in der Seitenlage. Und in was für einer Seitenlage! Die Bauchdecke hatte sie eingezogen, die Beine an den Bauch gehoben, nach zwei Richtungen verdreht. Sigrand redete leise mit der Schwester. Diese nickte und verschwand.
    »Was war das für eine Spritze, die Sie ihr gegeben haben, Herr Doktor Sigrand?«
    Er sah mich nicht an, während dieses ganzen französisch geführten Gesprächs nicht.
    »Gegen den spastischen Anfall eben.«
    »Was heißt spastisch?« fragte ich.
    Er sah auf einen Spiegel, den er Babs vor die Augen hielt. Ich bemerkte, daß er Licht in die Augen reflektierte. Babs reagierte überhaupt nicht.
    »Was ist spastisch?« fragte ich noch einmal. Babs stöhnte. »Warum stöhnt sie?«
    »Frage! Weil sie Schmerzen hat«, sagte Sigrand.
    »Ich will wissen …«
    »Spastisch, das bedeutet eine Erhöhung der Spannung in der Muskulatur«, sagte Ruth Reinhardt leise zu mir. »Die entzündeten und über Gebühr gespannten Meningen, also die Hirnhäute, die gereizten und sehr stark schmerzenden Wurzeln der Nerven lassen es nicht zu, daß Babs entspannt daliegt, verstehen Sie?« Ich nickte. »Darum auch die angezogenen Beine …«
    »Hills«, sagte Babs. Ihre Stimme war sehr heiser.
    »Was?« fragte ich.
    »… anta Monica«, sagte Babs.
    »Das bedeutet alles nichts«, sagte Ruth Reinhardt zu mir, während sich Sigrand weiter um Babs bemühte, sie zudeckte, so behutsam er konnte, den Schweiß trocknete, der über ihr Gesicht strömte. Babs’ Atem ging rasselnd.
    »Babs!« sagte ich.
    »Ruhe!« sagte Sigrand.
    »Sie hört sehr schlecht, Monsieur Norton«, sagte Ruth Reinhardt. »Wahrscheinlich kaum noch.«
    »Das Kind hatte vor einer Stunde einundvierzigfünf. Es ist desorientiert«, sagte Sigrand.
    Im gleichen Moment erbrach Babs sich. Die Ärztin sprang vor und drückte einen Klingelknopf. Sigrand hob Babs’ Kopf an. Sie begann, während sie sich noch erbrach, grauenvoll zu schreien.
    »Warum halten Sie den Kopf?«
    »Weil Babs sonst ersticken würde an dem Erbrochenen.«
    Auf flog die Tür. Die Schwester von vorhin stürzte herein. Mit Wasser und feuchten Tüchern reinigten die beiden Ärzte und die Schwester dann Babs, so gut es ging. Eine andere Schwester brachte neue Wäsche. Babs wurde umgebettet. Sie schrie andauernd. Im Moment, glaube ich, bemerkte niemand meine

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