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Niemand ist eine Insel (German Edition)

Niemand ist eine Insel (German Edition)

Titel: Niemand ist eine Insel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes Mario Simmel
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Anwesenheit. Ich konnte THE WORLD’S GREATEST LITTLE SUNSHINE GIRL nicht mehr ansehen.
    »Machen Sie mir ein Bett da drüben«, sagte Dr. Sigrand. Da drüben, in einer Ecke des großen Zimmers, stand eine Liege. »Ich schlafe heute nacht hier.«
    »Jawohl«, sagte die zweite Schwester und verschwand mit den beschmutzten Laken.
    »Wird sie durchkommen?« fragte ich Ruth Reinhardt.
    »Sie sehen, wir tun alles.«
    Ich trat schnell zu Babs (Oh, würgte mich der Ekel!) und kniete neben ihr nieder. Ich weiß wahrhaftig nicht mehr, ob das schon menschliches Mitgefühl war, mein Herr Richter, oder bloß Schau. Im Zweifelsfall plädiere ich für Schau.
    »Babs …«
    Keine Antwort.
    »Babs!« Lauter.
    »Monsieur Norton, lassen Sie das!« sagte Dr. Sigrand.
    »Ach, Sie können mich doch … Babs !«
    Im nächsten Moment stieß Babs ein schauerliches Geheul aus – wie der Satan selber –, fuhr hoch, ich hatte ihren nach Erbrochenem riechenden Mund dicht vor meinem, und dann schlug mir Babs, die mich so liebte, die kleine Babs, mein Herr Richter, schlug mir mit aller Kraft, so fest sie nur konnte, beide Fäuste ins Gesicht. Es tat derartig weh, daß nun ich aufschrie. Babs fiel ins Bett zurück, japste nach Luft, kreischte …
    »Raus!« schrie Dr. Sigrand.
    Ruth Reinhardt nahm mich am Arm und führte mich zur Tür.
    »Kommen Sie mit mir, Monsieur.«
    »Ich will aber nicht!«
    Babs kreischte.
    »Verflucht, raus mit Ihnen!« sagte Sigrand, gefährlich leise.
    »Sie müssen jetzt gehen!« Ruth Reinhardt hatte meinen Arm gepackt. Ich war erstaunt, mit welcher Kraft sie mich aus dem Zimmer schob. Die Tür fiel zu. »Doktor Sigrand hat Ihnen doch erklärt, daß Babs völlig desorientiert ist.«
    »Und daß sie nicht auf Antibiotika und … und … und auf …«
    »Immunglobulin.«
    »… und daß sie nicht auf Immunglobulin und all das andere Zeug anspricht, ja!«
    »Vielleicht tut sie es bald.«
    »Vielleicht nie!«
    Die Ärztin schwieg.
    »Was ist dann?« fragte ich. »Was ist, Frau Doktor Reinhardt, wenn sie nie darauf anspricht? Wie geht das dann weiter?«
    »Wir haben noch andere Möglichkeiten.«
    »Ach ja?« Unlogisch, aber typisch, attackierte ich jetzt sie, ausgerechnet sie. » Haben Sie noch andere?«
    »Ja, Herr Norton.« Diese Frau, die nun wieder deutsch mit mir sprach, war nicht aus der Ruhe zu bringen.
    »Was für andere?«
    »Das würden Sie nicht verstehen. Natürlich müssen wir mit Komplikationen rechnen.«
    »Rechnen? Wie nennen Sie denn das, was bisher passiert ist? Sind das noch keine Komplikationen?«
    »Herr Norton«, sagte sie nur.
    »Was, Herr Norton?«
    »Nein, das sind noch keine Komplikationen. Das ist der natürliche Ablauf einer solchen Erkrankung.«
    »Ach so? Ach ja? Na schön.«
    »Schön ist es nicht«, sagte Ruth Reinhardt ruhig.
    »Ich habe das nicht so gemeint … Ich bin aufgeregt … Ich bin erschüttert … Ich …«
    »Ich sehe, was Sie sind, Herr Norton«, sagte sie. »Kommen Sie noch einmal wieder, wenn Sie wollen. Ich weiß nicht, ob wir Sie dann zu Babs lassen können. Aber wir werden Ihnen Auskunft geben. Ich werde Ihnen Auskunft geben. Und ich werde Sie nie belügen, Herr Norton.«
    Ich biß auf meine Unterlippe.
    »Das weiß ich, Frau Doktor«, sagte ich.
    »Sie können auch jederzeit anrufen. Tag und Nacht.«
    »Sie müssen schlafen!«
    »Ich schlafe schon. Hier im Krankenhaus. Sie können mich die ganze Nacht über telefonisch erreichen, und wenn …«
    Eine Schwester kam.
    »Frau Doktor, bitte«, sagte sie. »Bitte kommen Sie. Schnell. Herr Doktor Sigrand braucht Sie.«
    »Ich komme schon, Schwester«, sagte Ruth Reinhardt und verschwand im Zimmer. Sie hatte mir nicht einmal gute Nacht gesagt.
    Ich weiß nicht, wie lange ich vor der Tür zu Babs’ Zimmer gestanden habe. Vielleicht eine Minute. Vielleicht eine Viertelstunde. Ich hörte nichts mehr von drinnen, das weiß ich. Und endlich ging ich dann fort und kam wieder in den Gang des Verwaltungstraktes mit den vielen Türen und Menschen. Und hörte wieder Reporterstimmen aus Fernsehapparaten.
    »… und dies ist ein Mitglied der Spezialeinheit … natürlich nur im Gegenlicht, Balken über dem Gesicht, die Stimme ist elektronisch verzerrt. Wir haben die Erlaubnis, einige Fragen zu stellen …«
    Weiter den Gang entlang.
    »Sie haben die Boeing 707 zurückfliegen lassen.«
    »Wir haben dafür eine Douglas DC-8-62 geboten.«
    Schon neun Uhr.
    »Die haben die Japaner abgelehnt …«
    Ich lief.
    Als ich ins Freie

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