Niemand ist ohne Schuld - Dark village ; 3
natürlich.â Wolff seufzte. âWenn Sie derart beunruhigt sind und meinen, dass es unbedingt sein muss, können wir im Krankenhaus ein paar Tests durchführen. Ich oder Isachsen.â
âWas für Tests?â
âTja, das ist die Frage. Um ehrlich zu sein, ich weià es nicht.â Wolff schaute auf die Uhr. âVielleicht gucken wir mal in Richtung Epilepsie, um herauszufinden, ob die elektrischen Impulse in ihrem Gehirn normal funktionieren.â
âEpilepsie?â, fragte Werner. âSie hat doch gar keine Anfälle oder so.â
âNein, das verstehe ich schon. Ich meine ja auch nicht, dass sie Epilepsie hat, aber vielleicht einen ähnlichen Zustand. Ungewöhnliche Hirnaktivität. Es gibt zum Beispiel etwas, das wir Schlafterror nennen. Im Schlaf erleben die Leute Dinge, die sie dann für real halten, sie können sogar hellwach wirken, obwohl sie tief schlafen.â Wolff zuckte die Achseln. âIch weià nicht. Vielleicht etwas in der Art.â
âSchlafterror?â Jetzt klang Werner wirklich besorgt.
âDas ist nicht schlimmâ, sagte Wolff . âDas kommt bei maximal zwei bis sechs Prozent aller Kinder vor und verschwindet auch bei fast allen mit der Zeit. Man kann das herausfinden, indem man im Schlaf die Hirnströme misst. Aber â¦â Er sah noch einmal demonstrativ auf die Uhr. âIch muss jetzt wirklich los. Und streng genommen müssten Sie die Sache mit Isachsen besprechen, wissen Sie.â
âNa dannâ, sagte Werner. Er deutete eine Verbeugung an. âDanke, dass Sie gekommen sind, Doktor.â
âKein Problem.â
Wolff ging über den Hof zu seinem Auto. Er schaute zu Werner hinauf, der immer noch in der Haustür stand. Er suchte nach den passenden Worten. âWarten Sie erst mal ab, Werner, bevor sie weiter an Tests denken. Es ist nicht gut für Eline, wenn um sie herum so viel Stress und Unruhe herrschen. Und es hilft ihr auf keinen Fall, wenn Sie sie die ganze Zeit schief ansehen, weil Sie befürchten, sie könnte nicht ganz normal sein. Geben Sie ihr einfach ein bisschen Zeit, dann werden Sie feststellen, dass sich alles beruhigt.â
Er öffnete die Autotür, stieg ein, ohne auf Wiedersehen zu sagen, und fuhr schnell mit einem kurzen Winken über die rechte Schulter davon.
10
Benedicte blieb in ihrem Zimmer, nachdem Vilde und Nora gegangen waren. Sie machte das Fenster auf, um zu lüft en. Im Aschenbecher lag noch eine halb gerauchte Zigarette von Vilde. Sie nahm sie heraus und zündete sie an.
Vorsichtig inhalierte sie. Vilde rauchte Prince, die waren eine ganze Ecke stärker, als Benedicte es gewöhnt war. Sie stellte sich ans Fenster und blies den Rauch nach drauÃen.
Sie dachte an Vilde. Ihr Ãrger und ihr anklagender Blick waren gut nachzuvollziehen.
Natürlich hätte ich früher Bescheid sagen sollen. Natürlich hätte ich Wolfman eine Falle stellen sollen. Natürlich hätte ich etwas unternehmen müssen!
Sie hatte auch immer wieder darüber nachgegrübelt, wie sie etwas gegen ihn in die Hand bekommen konnte â schlieÃlich hatte er ja die Fast-Nackt-Fotos von ihr. Das hatte sie sich schon ganz am Anfang vorgenommen, als sie einem Treff en mit ihm zugestimmt hatte. Sie wollte ihn austricksen, damit sie ihn drankriegen konnte, falls er die Fotos, die sie ihm geschickt hatte, gegen sie verwendete. Und dann konnte sie der ganzen Welt beweisen, dass er was mit einer Fünfzehnjährigen angefangen und sie erpresst hatte.
Aber daraus war nichts geworden. Sie war von ihrem Plan abgekommen. Er war smart und draufgängerisch â gefährlich anders als die Jungs, mit denen sie sonst zu tun hatte.
Und er hatte die Pillen. Unmengen davon. Sie brauchte nicht mal danach zu fragen oder darum zu betteln. Er packte sie aus und sie durfte sich bedienen. Deshalb war nichts aus dem Plan geworden, Fotos oder Tonaufnahmen zu machen â¦
ScheiÃe.
Benedicte drückte die Zigarette im Aschenbecher aus. Sie blieb am Fenster stehen und schaute nach drauÃen. Man konnte das Dach von Vildes Haus sehen. Sie fragte sich, ob Vilde ihr jemals verzeihen würde, und kam zu dem Schluss, dass die Chancen dafür nicht besonders gut standen.
Sie hat Trine geliebt, dachte Benedicte. Sie hatte schon lange vermutet, dass zwischen Trine und Vilde was Besonderes, Anderes war, und jetzt wusste sie es sicher. Sie waren keine Freundinnen gewesen
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