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Niemand kennt mich so wie du

Niemand kennt mich so wie du

Titel: Niemand kennt mich so wie du Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna McPartlin
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Teenie aus dem vorigen Jahrhundert und sein schmalziger Blödsinn? Nach den ersten drei Zeilen wäre ich fast vor Langeweile gestorben.»
    Falls er ihren Erleichterungsseufzer gehört hatte, ließ er sich nichts anmerken.
    Sie schob ihm den Geldschein in die Hemdtasche. «Nimm es. Es gehört deinem Vater. Und solltest du noch ein einziges Mal in meinen Sachen rumstöbern, erzähle ich deiner nächsten Freundin, dass du im Supermarkt deinen Pipimax rausgeholt und die alten Damen gefragt hast, ob du schon ein großer Junge bist.»
    «Das ist nie passiert!», sagte er entsetzt.
    «Na, das kann sie ja nicht wissen, und wage es ja nicht, mich bei zukünftigen Verhandlungen hiermit zu erpressen.»
    «Also, Mum! Ich muss nicht mehr verhandeln. Ich bin neunzehn.»
    «Glaub mir, mein Sohn, da gehen die Verhandlungen erst richtig los.»
    Scott lief die Treppe hinauf, und Lily sah ihm nach. Dann ging sie hinaus in den Garten. Am schwarzen Himmel stand ein weißer Halbmond. Sie schlenderte zu der Schaukel hinüber, die sie unbedingt für Daisy haben wollte, als sie fünf Jahre alt wurde. Es handelte sich um ein großes Metallgerüst mit zwei einzelnen Schaukeln, eine mit rotem Sitz und eine mit lilafarbenem. Die Schaukel war solide gebaut, fest im Boden verankert und konnte auch das Gewicht eines Erwachsenen tragen. Lily und Daisy hatten an unzähligen Sommertagen zusammen geschaukelt, doch Daisy und ihre Freundinnen benutzten die Schaukel nun schon seit Jahren nicht mehr. Lily setzte sich immer noch auf den lilafarbenen Sitz, wenn sie traurig war, fröhlich oder nachdenklich oder wenn sie einfach nur allein sein wollte. Man konnte sie oft auf der Schaukel ihrer Tochter antreffen, ob bei Tag oder Nacht. Wenn sie nicht schlafen konnte und es nicht zu kalt war, zog sie sich einen Mantel übers Nachthemd und ging in den Garten, um ein bisschen zu schaukeln und dabei über den Tag und ihre Träume nachzudenken.
    Eines Morgens, nachdem es in der Nacht zuvor geschneit hatte, packte sie sich warm ein und zog ihre Gummistiefel an. Sie stapfte hinaus in den Garten, fegte den Schnee von der Schaukel und schwang sich so hoch hinauf, wie sie konnte. Währenddessen ließ sie vor ihrem inneren Auge die Szene Revue passieren, wie sie und Eve darum gewetteifert hatten, wer zuerst mit den Füßen an den Himmel stieß, immer schneller und höher, bis sie tatsächlich den Himmel berührten.
    «Wer am höchsten schaukelt, hat einen Wunsch frei!», rief Eve dann.
    Und Lily konnte sich nie entscheiden, was sie sich wünschen sollte, doch das war auch egal, weil Eve mit ihren langen Beinen sowieso immer die Siegerin war.
    «Ich hab dich lieb, Eve Hayes!»
    «Ich hab dich lieb, Lily Brennan!»
    Sie dachte an die Abschiedsszene, deren Zeugin sie gerade geworden war. Sie dachte an Eve, an ihre Traurigkeit und ihre Verzweiflung. Sie dachte an Ben. Er würde nie wieder einen Sonnenuntergang erleben, er würde nie wieder die Füße in einen sprudelnden Bach halten oder die Berührung eines geliebten Menschen spüren. Er würde nie wieder lächeln, lachen oder einen Scherz machen. Er würde nie wieder schreien, ob vor Freude oder Schmerz. Er würde nie wieder weinen und klagen. Für Ben Logan gab es keine Schmerzen mehr und keinen Verlust, denn schon als Eve ihm ihr Herz ausgeschüttet hatte, war er lange fort.
    Lily sah hinauf in den Nachthimmel, schaukelte höher und höher und versuchte, mit der Zehenspitze den Mond anzustupsen.
    Wo bist du, Ben? Bist du auf dem Weg ins Licht, oder fliehst du vor der Dunkelheit? Hatte Danny recht? Ist man einfach weg, oder steht man vor unendlichen Möglichkeiten? Bist du in eine andere Dimension oder in ein Paralleluniversum gewechselt? Vielleicht hast du deine Haut abgestreift, bist zu deinem Raumschiff zurückgekehrt und erhältst nun eine Auszeichnung für die erfolgreich vollendete Mission. Wenn du wüsstest, dass du bald von dieser Welt scheiden musst, würdest du dann alles anders machen? Über diese letzte Frage dachte Lily lange nach. Wenn ich wüsste, dass ich bald von dieser Welt scheiden muss, würde ich dann alles anders machen? Nein, sagte die Lügnerin in ihr, nein, auf gar keinen Fall. Sie liebte ihre Kinder, ihren Ehemann und ihr Leben. Doch die jüngsten Ereignisse hatten das junge Mädchen in ihr wieder geweckt, das vor langer Zeit zum Schweigen gebracht worden war. Es war das Mädchen, dem die Welt zu Füßen gelegen hatte und das all das weggeworfen hatte – aus Schuldgefühl, aus Angst und dem

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