Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Niemand

Niemand

Titel: Niemand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicole Rensmann
Vom Netzwerk:
seinem Vater hin. Sie sahen sich nicht, sie rochen sich nur.
    Niemand dachte an Nina. Er dachte so stark an sie, dass der säuerliche Angstgeruch und der durch Hass entstandene Teergestank vom leckerlieblichzuckersüßen Erdbeerduft überdeckt wurden.
    Niemand Sonst verabscheute diesen Geruch.
    Niemand liebte ihn.
        

38.

    Nina rief nicht um Hilfe und trat auch nicht gegen die Tür – sie sparte ihre Kraft, denn sie hatte gehört, wie Niemand Sonst einen Schlüssel im Schloss herumgedreht hatte. Sie lauschte an der Tür und vernahm dumpf die Stimmen von Niemand und seinem Vater. Niemand würde sie rausholen, bald. Nina ging ein Stück in den Raum und betrachtete ihr Gefängnis. Farbige Teppiche schmückten die Wände und versuchten die Finsternis aus den Burgmauern zu verdrängen. Vergeblich. Der Raum verfügte über zwei schmale, scheibenlose Fenster. Sonnenstrahlen suchten sich einen Weg hindurch, und dort wo sie auf den Steinboden trafen, schienen Staubflocken fröhlich zu tanzen. Der Rest wurde von Dämmerlicht überzogen und machte einen jämmerlichen und seit Jahren verlassenen Eindruck. Am Fußende des schmalen Bettes lag ein dunkelroter Sack. Sie strich darüber. Während die mit Rosen bestickte Bettwäsche unter einer dicken Staubschicht grau wirkte, glänzte der Sack wie frisch gewaschen, als habe ihn jemand erst vor Kurzem dort hingelegt. Nina ging auf den dunklen Holzschrank zu, rechts neben dem Bett. Mit einem Ruck öffnete sie die Türen. Der Schrank war leer, bis auf eine grün bemalte Kiste, die auf dem Boden stand. Nina setzte sich in den Schrank, so wie sie es auch zu Hause gemacht hatte, wenn sie sich vor ihrer Schwester verstecken wollte. Diesmal schloss sie nicht die Türen, sondern blickte sich im Zimmer um. Das war alles? Kein Stuhl, keine Lampe, keine Kerze, keine Bilder. Ein karg eingerichteter Raum für … ja wen?
    Nina öffnete die Kiste.
    ******

    Während Nina den Inhalt des Kartons erkundete, die Niemandsländer Pläne zur Verteidigung ihres Herrschers schmiedeten und Niemand lernte, seine Gefühle vor seinem Vater zu verbergen, hatten sie alle Überhaupt Niemand vergessen.
        

39.

    Überhaupt Niemand war dumm, aber nicht so dumm zu glauben, dass Niemand Sonst ihn in seine Pläne mit einbezog. Er hatte diesen einen Versuch der Kooperation gestartet, aber schnell bemerkt, dass es ein Fehler gewesen war. Doch Überhaupt Niemand wollte nicht aufgeben und auch nicht als Edelstein auf dem Thron enden, irgendwo unter der Sitzfläche, unauffällig, unbedeutend, unscheinbar. Er hatte eigene Pläne. Und er wusste genau, wem er sich anschließen musste, um diese zu verwirklichen.
    Nicht zum ersten Mal schlug er den Weg zu den Kreischzwergen ein. Beim letzten Mal hatte er gekniffen, kurz vor ihren Höhlen war er stehen geblieben. Die Schreie des gefolterten Heiligen Geistes hatten so unerträglich geklungen, dass er innerhalb von Sekunden beschlossen hatte umzukehren. In der Hälfte der Zeit war er auf dem schmalen Holzweg zurück zum Schloss gerannt und hatte sich in seiner Kammer im Keller verkrochen. Aber diesmal würde er nicht weglaufen, diesmal musste er mit den Kreischzwergen einen Deal aushandeln. Als er sich dem Eingang der Höhlen näherte, packte ihn die Angst im Nacken. Er hasste dieses für Weicheier bestimmte Gefühl. Dabei besaß er keine, die hatte er schon vor vielen Jahren in den See geworfen, wo sie vermutlich noch heute an der Oberfläche trieben, seine Weicheier. Aber Angst, die ließ sich nicht abstreifen, nicht verkaufen oder beseitigen. Er konnte sie nicht verschwinden lassen, nur mit einem Duft überdecken, aber selbst dazu sah er sich jetzt nicht in der Lage, obwohl er in den letzten Tagen für das Gespräch mit seinem Bruder an der richtigen Duft-Technik gearbeitet hatte.
      
    Die Stille beruhigte Überhaupt Niemand. Die Kreischzwerge befanden sich vermutlich auf Beutezug. Mit einem Mal kam ihm eine geniale Idee, die Überhaupt Niemand seinem Ziel so nah bringen musste wie nie zuvor. Er würde den Heiligen Geist befreien. Eine gute Tat, mit der er sich den Thron verdient machte. Dann könnte er auf die Kreischzwerge pfeifen und seinen Bruder ins Bockshorn jagen. Dahin hatte Niemand Sonst zwar den Kampfgeist verbannt, aber Überhaupt Niemand glaubte nicht, dass der sich mit seinem Bruder verbünden würde. Das Glück durfte einmal auf seiner Seite sein, bitte sehr! Überrascht nahm er Mandarine und Pfefferminz wahr – Zuversicht mit Mut gemischt. Ein

Weitere Kostenlose Bücher