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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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zurück.
    »Einen Augenblick, Hauptmann!« sagte er. Luigi wirbelte herum.
    Carl sah ihm starr und unverwandt in die Augen.
    »Tay-Hoo, Luigi«, flüsterte er mit einem Augenzwinkern und lächelte dann. Das war der besondere Kampfruf der SEAL- Truppen; niemand wußte, woher er stammte. Aber niemand, der fünf Mal die Hell Week mitgemacht hatte, und Luigi war einer von ihnen, würde ihn je vergessen.
    Luigi lächelte erleichtert und verschwand.
    Carl starrte lange auf die geschlossene Tür. Er überlegte, ob ihn Luigi an Joar Lundwall erinnerte. Ja, vielleicht der Körperbau. Beide sahen aus wie Mittelstreckenläufer, doch sonst gab es keine Ähnlichkeit. In diesem Augenblick beschloß Carl, Luigi auf keinen Fall in die Kommandotruppe einzubauen, falls die Operation überhaupt stattfand. Falls es dazu kam, würde der Geheimdienst ohne Zweifel einen großen Teil seines Wissens und seines menschlichen Kapitals riskieren und damit auch Gefahr laufen, mit Ausnahme der Funktionen an Schreibtischen und Computerbildschirmen entwaffnet zu werden.
    In klaren und einfachen Begriffen ihrer Sprache ausgedrückt, bestand das Problem darin, daß der Verlust einzelner Menschenleben aus der Abteilung angesichts einer drohenden Kernwaffenkatastrophe eine quantité négligeable war. Wenn moderne Atomwaffen in der Welt herumvagabundierten, ging es um Menschenleben in einer Größenordnung von sechs bis achtstelligen Zahlen – wie schwer es auch fallen mochte, in solchen Kategorien zu denken.
    Carl ließ die Gedanken eine Zeitlang abschweifen. Er sah sein neues Haus, sein und Tessies neues Haus, vor sich. Er sprach den Namen leise aus, Stenhamra, und kramte in Gedanken nach den spanischen Wörtern für Stein und Hammer; wahrscheinlich würde der Name auf spanisch so gut klingen wie auf schwedisch. Er würde sie noch heute abend fragen.
    Er ahnte, daß er es mit Åke Stålhandske bedeutend schwerer hätte, nicht jedoch, daß er dermaßen überrumpelt werden würde, wie es zunächst geschah. Als Åke Stålhandske den Raum mit seiner Präsenz erfüllte, erinnerte er an ein verliebtes Panzernashorn. Carl war dankbar, daß Åke zumindest nicht vergessen hatte, die Tür zu öffnen, bevor er hereinstiefelte, denn in seinem gegenwärtigen Gemütszustand erweckte Åke den Eindruck, als könnte er durch jede Tür gehen, ob er sie nun vorher geöffnet hatte oder nicht.
    Er streckte seine bratpfannengroße linke Hand zur Faust geballt aus. Carl konnte selbst in seinem überrumpelten Zustand nicht umhin, den blitzenden neuen Ring zu sehen. Ihn durchzuckte der alberne Gedanke, wie und wo man sich Ringe dieser Größe beschaffte.
    »Gratuliere«, sagte er zunächst zögernd, da Åke Stålhandske die Sprache verloren zu haben schien und außerdem Tränen in den Augen hatte.
    Dann gewann er seine Fassung zurück und ging seinem Freund fürs Leben entgegen und umarmte ihn. Beide sagten zunächst kein Wort.
    Carl setzte sich hinter seinen schützenden Schreibtisch und zeigte gemessen auf einen Besucherstuhl. Er versuchte, sich für die unangenehme Neuigkeit, die jetzt bevorstand, zu sammeln. Doch Åke Stålhandske kam ihm erneut zuvor.
    »Verdammt, Teufel auch!« rief er aus. In diesem Moment ging Carl auf, daß es die ersten Worte waren, die Åke seit dem Betreten des Raums geäußert hatte. »Verdammt, Teufel auch, stell dir vor, wir werden heiraten!«
    »Wann denn?« fragte Carl verblüfft. Eine Menge Gedanken und Gefühle durchströmten ihn.
    »So schnell wie möglich!« sagte der sichtlich Glückliche und breitete die Arme aus. »Wozu warten! Ich bin eben über dreißig, und Anna glaubt, sie sei vierzig, obwohl sie erst achtundzwanzig ist. Also wozu warten?«
    »Herzlichen Glückwunsch«, sagte Carl angestrengt. Doch als er das Thema zu wechseln gedachte, stahl ihm Åke wieder das Wort.
    »So, und jetzt stellt sich die Frage eines wohlverdienten Sonderurlaubs. Es ist zwar mitten in Annas Herbstsemester, aber sie kann eine Vertretung besorgen. Wir hatten uns die Südsee vorgestellt oder etwas in der Richtung.«
    »Ich habe das Gefühl, daß es eher die Nordkalotte wird«, erwiderte Carl matt.
    Åke Stålhandske brauchte einige Zeit, um einzusehen, daß es kein Scherz war. Sein Chef und Freund sah nämlich gequält aus.
    »Ist etwas passiert?« fragte Åke Stålhandske, als käme ihm seit vierundzwanzig Stunden zum ersten Mal der Gedanke, daß er Major im Geheimdienst Seiner Majestät war, wie sie spöttisch zu sagen pflegten.
    »Ja!« erwiderte Carl

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