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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Richtungen rote Reflexe sprühten, sogar in ihre Augen und auf die weiße Tischplatte. Der Ring bestand aus dicht zusammengefügten Rubinen auf der Oberseite; die Unterseite war glattes Gold.
    »Ich gehe jede Wette ein, daß der andere genauso aussieht«, fühlte sie vor. »Das wäre typisch für dich, ein bißchen phantasielos, aber geschmackvoll.«
    »Du brauchst es gar nicht erst zu versuchen«, knurrte er mit gespieltem Mißtrauen. »Ich kann weder bestätigen noch dementieren. Es gehört nicht zu unserer Politik, Dinge zu kommentieren, die geheimgehalten werden müssen. Das wissen Sie sehr gut, Gnädigste.«
    Ein Schatten huschte ihm übers Gesicht, als hätte er sich an einem spitzen kleinen Stachel des Berufsjargons gestochen; er war ja ein freier Mensch und nichts sonst. Er konnte nach Paris reisen und heiraten, wann immer es ihm paßte, oder zu Hirschen aufs Land ziehen oder nach San Diego fliegen, ohne jemals noch einmal nach Palermo zu müssen. Er fand schnell zu seiner guten Laune zurück und zu seinem ausgelassenen Freiheitsgefühl, stand auf und holte die graue Schachtel des Juweliers, die er unerreichbar hochhielt, als sie einen halbherzigen Versuch machte, sie zu erhaschen.
    »Hier drinnen ist das Geheimnis. Es wird nicht vor 15.00 Uhr gelüftet.«
    Er steckte die Schachtel demonstrativ glucksend tief in die Tasche, tätschelte das Geheimnis und leerte dann ein Glas mit frisch gepreßtem Grapefruitsaft.
    »Mmh… Das erinnert an zu Hause«, sagte er. »Kalifornische Grapefruit, probier mal!«
    »Ein Kanake wie du kann das doch nicht entscheiden«, brummelte sie und trank aus ihrem eigenen Glas.
    »Was meinst du mit Kanake?« sagte er, als hätte sie ihn tief gekränkt.
    »In Kalifornien bist du der Kanake, nicht ich, aber sonst hast du recht. Ich meine den Saft, in den meisten anderen Dingen hast du unrecht«, stellte sie sachlich und gemessen fest.
    »Beispielsweise worin? Habe ich jemals unrecht? Kannst du dich an eine einzige Gelegenheit erinnern, bei der ich unrecht gehabt hätte?« fragte er in übertriebenem Tonfall.
    »Aber ja«, erwiderte sie selbstbewußt, »wenn ich daran erinnern darf, was du gesagt hast, daß nämlich du und ich über die Welt bestimmen. Du hast Gott vergessen, aber das ist andererseits ja typisch für dich.«
    »Gestern hast du Gott mit dem schwedischen Botschafter in Paris verwechselt, und heute ist er wieder der Allmächtige. Opportunistin!«
    »Man muß praktisch denken. Da du dich aus absolut unbegreiflichen Gründen weigerst, zum Katholizismus zu konvertieren, muß eben der schwedische Botschafter als Stellvertreter dienen. Aber merk dir, er ersetzt Gott nur in dieser ganz speziellen Angelegenheit.«
    »Friede!« sagte er und hielt zwei Finger hoch. »Wir sollten die Theologie verlassen.«
    »Ja, denn sie ist nicht gerade deine starke Seite. Es dürfte so am besten sein«, schnaubte sie auf eine Weise, daß er fast glaubte, es sei ernst.
    »Dieser Juwelier wäre doch um ein Haar in Ohnmacht gefallen«, wechselte sie fröhlich und schnell das Thema. »Was hat er übrigens bei eurer Heimlichtuerei gesagt?«
    »Er war, wie soll ich sagen, zunächst ein bißchen hochnäsig«, sagte Carl.
    »Ja, aber was hat er gesagt?«
    »Es lief darauf hinaus, daß es nicht üblich sei, Waren einer bestimmten Preisklasse an Personen in Jeans zu verkaufen, die außerdem noch Ausländer seien und mit Plastikkarte bezahlen wollten, selbst wenn es sich um eine Platinkarte handle.«
    »Und wie hast du dich aus der Affäre gezogen?«
    »Ich habe ganz ernsthaft zunächst die Jeans angesprochen und ausführlich und überzeugend argumentiert, daß Jeans beim Einkauf von Juwelen bestens geeignet seien. Ich erklärte ihm, daß ich bei solchen Gelegenheiten immer so gekleidet sei, um nicht das Interesse von Räubern und Dieben auf mich zu ziehen. Außerdem könne er die Banque Nationale de Paris anrufen, denn dort hätte ich Geld deponiert, das an die Kreditkarte gebunden sei. Er rief also an und wurde dann sehr höflich, so daß ich anschließend in aller Ruhe Ringe aussuchen konnte.«
    Sie fuhren in der amerikanischen Limousine des Hotels zur Botschaft und kamen zu Carls sichtlicher Irritation drei Minuten zu spät.
    Als er jedoch um den Wagen herumging, um Tessie den Arm zu reichen, machten ihn ihre Farben und ihre blitzende Schönheit ein paar Augenblicke lang stumm. Er hatte sie noch nie so schön gesehen. Alles war genauso vollkommen, wie er es sich in seiner Phantasie erträumt hatte. Ihr

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