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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Maria Corazon O’Connor zu deiner Ehefrau und gelobst du, sie in guten wie in schlechten Tagen zu lieben?«
    Carl zögerte. Er erweckte den Eindruck, als hätten übermächtige Gefühle plötzlich einen Kurzschluß verursacht. Um ein Haar hätte er »Ja« oder, noch schlimmer, »Yes, Sir!« gebrüllt. Er zögerte eine Sekunde, doch sie kam ihm erstaunlich lang vor.
    »Ja«, sagte er.
    »Nun, das ist ja bestens«, sagte der Botschafter schmunzelnd und wandte sich dann an Tessie. Er wiederholte die Frage für sie, während der diskret eingelassene Fotograf reihenweise Blitze abschoß.
    »Ja«, erwiderte Tessie leise und mit gesenktem Kopf.
    »Nun«, sagte der Botschafter aufmunternd fröhlich, »damit erkläre ich Sie für Mann und Frau. Nein, zum Teufel, der Ring! Du mußt mir den Ring geben.«
    Carl wühlte nervös in der Tasche und zog die graue Schachtel hervor. Er fummelte an dem Verschluß herum, dem einzigen, der ihm in den letzten Jahren Mühe bereitete. Endlich bekam er den Ring heraus und streifte ihn Tessie über den ausgestreckten Finger. Er ähnelte ihrem roten Rubinring, hatte aber zusätzlich weiße und grüne Steine. Gold, Grün, Rot und Weiß sind die mexikanischen Farben.
    »Ihr dürft euch jetzt küssen«, schmunzelte der Botschafter, und sie taten es. Anschließend wurde ihnen gratuliert, und sie bekamen sogar einen Riesenstrauß Blumen.
    »Das war’s dann!« sagte der Botschafter und rieb sich zufrieden die Hände. »Jetzt ist es so, daß Kapitän zur See Hamilton eine Bitte an mich gerichtet hat, die ich ihm nicht habe abschlagen können.«
    Er holte einen Säbel hervor und eine Flasche Champagner, Louis Roederer Cristal. Ohne zu zögern hieb er mit dem Säbel den Flaschenhals ab, so daß der Champagner auf den Perserteppich spritzte. Dann goß er zufrieden brummelnd jedem ein, schnell und nachlässig, wie er es wohl bei irgendeinem russischen Vorbild gesehen hatte, hob sein Glas und prostete dem Brautpaar zu.
    Anschließend posierten sie eine Zeitlang in verschiedenen Konstellationen für den Fotografen. Mal mit, mal ohne Botschafter, mit allen Anwesenden, Tessie und Carl allein, mit Blumen, aber ohne Champagner, und so weiter.
    Als der Fotograf gerade zum dritten Mal den Film wechseln wollte, stürzte sich der hochgewachsene Botschafter wie ein Habicht auf ihn und nahm ihm die Filmrollen ab. Dem Schwall lautstarker Proteste begegnete er mit der Bemerkung, hier befinde man sich auf schwedischem Territorium, und Kapitän zur See Hamilton vom Geheimdienst Seiner Majestät habe das Recht zu töten. Außerdem, so erklärte er, lägen dreitausend Francs in bar draußen in der Küche. Damit schubste er den Fotografen ohne viel Federlesens hinaus, trat mit den beschlagnahmten Filmen vor Carl und überreichte sie ihm.
    »Es wäre natürlich schön, wenn ich mal ein kleines Foto davon bekäme, ich meine, für meinen privaten Gebrauch«, lachte er.
    »Selbstverständlich«, erwiderte Carl. »Und es dürfte selbstverständlich sein, daß ich Ihnen was schulde.«
    Der Botschafter lachte brüllend los und nahm erneut den Säbel in die Hand.
    Der Ministerpräsident und der Verteidigungsminister waren im Regierungsgebäude Rosenbad allein. Der Sonnabendnachmittag war ein praktischer Zeitpunkt für ein Gespräch, das niemand mithören sollte.
    »Also Hamilton persönlich soll diese Operation leiten, falls sie zustande kommt«, stellte der Ministerpräsident nachdenklich fest. Er biß auf seinen Brillenbügel und rieb sich den Augenwinkel.
    »Ja«, bestätigte Anders Lönnh, »diese Wahl der militärischen Führung finde ich aber nicht erstaunlich.«
    »Nein, aber wir sollten hoffen, daß nichts daraus wird«, fuhr der Ministerpräsident langsam fort.
    »Wieso?« fragte Anders Lönnh. Er sah fast gekränkt aus.
    »Nun ja«, sagte der Ministerpräsident und blickte durch das grüne Panzerglas auf das Reichstagsgebäude, »es wäre ja schade, wenn wir unnötige Verluste erleiden würden. Ich hatte mir gedacht, daß Hamilton den militärischen Stuhl in meinem Sicherheitsrat übernimmt. Ja, du weißt schon, ich wollte einen kleineren Kreis von Experten um mich versammeln, wenn sicherheitspolitische Fragen auf der Tagesordnung stehen.«
    »Ja, dort würde er sich gut machen. Er sitzt ja neuerdings auf praktisch allen Erkenntnissen des Nachrichtendienstes.«
    »Ohne der oberste Chef zu sein, ja. Wir dürfen vielleicht davon ausgehen, daß ihn das etwas freimütiger sprechen läßt, als wenn er ganz oben säße.

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