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Niemandsland

Niemandsland

Titel: Niemandsland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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weiter«, wandte der Verteidigungsminister lahm ein.
    »Frage Koivisto doch, ob er etwas dagegen hat, daß wir vorläufige Gespräche einleiten. Könnte das funktionieren? Was meinst du?«
    »Ja. So wie ich Koivisto kenne, wird er vor Wut außer sich geraten, wenn man hinter seinem Rücken handelt. Das müssen wir um jeden Preis vermeiden. Nach Möglichkeit. Aber man kann uns ja nicht vorwerfen, daß wir uns so an die Sache herantasten wie er selbst. Unser Wissen hat ja nichts mit einem Leck in Finnland zu tun. Das steht fest! Ich spreche mit ihm, erzähle ihm von unserem Interesse, das Terrain zu sondieren.«
    Der Ministerpräsident seufzte. Er sah eine Falle.
    »Leider wird uns das nicht erspart bleiben, obwohl ich es nicht ganz gelungen finde«, sagte er, sah hoch und stellte fest, daß er sich näher erklären mußte. »Nun ja, einerseits ist es gute Politik, besonders Koivisto persönlich gegenüber. Andererseits – wenn er weiß, daß wir auch eine Operation vorbereiten, fällt es ihm vielleicht leichter, einen Rückzieher zu machen. Und dann haben wir das Baby auf dem Schoß. Wollen wir das wirklich? Wäre es nicht besser, den Finnen sozusagen keinen Absprang von diesem notwendigen Auftrag zu ermöglichen?«
    »Das ist wirklich eine Gewissensfrage«, erwiderte der Verteidigungsminister. »Wir müssen davon ausgehen, daß wir alle, Russen, Finnen, Amerikaner und wir selbst dieser Sache die höchste nur denkbare Priorität einräumen. Kurzfristig ist nichts wichtiger. Wir reden von einer Weltkatastrophe, oder etwa nicht?«
    »Doch«, sagte der Ministerpräsident voller Ungeduld angesichts all dieser Selbstverständlichkeiten. »Die Frage lautet also: Was wollen wir?«
    »Daß die Operation Dragon Fire Erfolg hat. Das ist wichtiger als alles andere, und…«
    »Dragon Fire, haben die Amerikaner das erfunden?«
    »Nein, das dürfte auf dem Mist unserer eigenen Amerikaner gewachsen sein, sozusagen.«
    »Na ja, verzeih, daß ich dich unterbrochen habe. Was wollen wir?«
    »Wie ich schon sagte, Erfolg. Und bei allem Respekt vor unserem tapferen Brudervolk mit seiner langen Tradition von Winterkriegen, seinen glänzenden Eishockeyspielern und kühnen Männern und was du willst – es erhebt sich doch die Frage, ob sie es besser können als Hamilton und seine Männer.«
    »Nein«, nickte der Ministerpräsident düster und nachdenklich, »das kann ich mir nicht vorstellen. Teufel auch!«
    Die »M/S Varangerfjord« legte um 8.00 Uhr ab. Die Fahrt nach Murmansk war auf etwa vier Stunden berechnet, etwas mehr oder weniger, je nach Wetter. Das Schiff machte über vierzig Knoten und konnte gut hundert Passagiere aufnehmen. Jetzt gegen Ende der Touristensaison war ungefähr die Hälfte der Plätze des Zweideckers von norwegischen Touristen belegt.
    Åke Stålhandske und Anna saßen einander an einem Fensterplatz auf dem Oberdeck gegenüber. Er unbekümmert guter Laune und sie sichtlich reserviert. Er lachte plötzlich auf, und sie fragte, was so komisch sei.
    Er war schon drauf und dran, es zu erzählen, bremste sich aber und winkte abwehrend mit der Hand.
    »Erinnere mich morgen daran, dann erzähle ich es dir«, sagte er ihr.
    Die Art Schiff, mit dem sie jetzt fuhren, hatte die schwedischen Streitkräfte derart interessiert, daß zwei Offiziere von der Nachrichtenabteilung des Generalstabs sich in ihrem Übereifer vor einem Jahr im Maschinenraum eines solchen Schiffs mit Notizblock und Kugelschreiber hatten erwischen lassen. Also als Spione. In Norwegen! Die Polizei war eingeschaltet worden, die Zeitungen hatten es mit Balkenschlagzeilen gebracht, zumindest in Norwegen, und die beiden Schreibtisch-Spione, die vor Scham schon ganz vernichtet waren, hatte man schmählich nach Hause geschickt. Es ließ sich einfach nicht machen, schwedische Spione in Norwegen vor Gericht zu stellen. Das hätte zu dumm ausgesehen.
    Annas Laune hob es jedoch keineswegs, daß es da etwas Lustiges gab, was jetzt nicht erzählt werden konnte, als sie gerade über die Grenze der sowjetischen Territorialgewässer fuhren. Er suchte verzweifelt nach etwas, worüber sich witzeln ließ, und las in einem Flugblatt, das jemand von der Besatzung verteilte, und plötzlich fand er etwas.
    »Sieh einer an«, schmunzelte er, »neuen Bestimmungen zufolge haben wir das Recht, in der Sowjetunion Waren bis zu einem Wert von sechs Rubel einzukaufen. Wenn wir mehr haben wollen, müssen wir in bestimmten Devisengeschäften einkaufen. Dort ist alles erlaubt. Zu den

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